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Russland Russland: Europas größtes Hotel wird bald abgerissen

Von Stefan Voß 13.04.2004, 05:44
Wie eine endlose Wand aus Marmor und Glas erstreckt sich Europas größtes Hotel, das Rossija, mit seinen 3170 Zimmern am Moskwa-Fluss entlang in Richtung Roter Platz (Foto vom 12.04.2004). Dem Herbergs-Monster droht das Ende: Das 1967 fertig gestellte Hotel soll abgerissen werden. (Foto: dpa)
Wie eine endlose Wand aus Marmor und Glas erstreckt sich Europas größtes Hotel, das Rossija, mit seinen 3170 Zimmern am Moskwa-Fluss entlang in Richtung Roter Platz (Foto vom 12.04.2004). Dem Herbergs-Monster droht das Ende: Das 1967 fertig gestellte Hotel soll abgerissen werden. (Foto: dpa) EPA

Moskau/dpa. - Bei so viel architektonischer Hässlichkeit stockt Moskau-Touristen bis heute der Atem: Wie eine endlose Wand aus Marmorund Glas erstreckt sich Europas größtes Hotel, das «Rossija», mit seinen 3170 Zimmern am Moskwa-Fluss entlang in Richtung Roter Platz. Über einen Zeitraum von fast vier Jahrzehnten zählte die unmittelbare Nähe zum Kreml zu den wenigen Annehmlichkeiten des Hotels. Nun droht dem Herbergs-Monster das Ende. «Das 'Rossija' wird abgerissen», bestätigte der Moskauer Chefarchitekt Alexander Kusmin Anfang Aprilder Zeitung «Komsomolskaja Prawda».

Das 1967 fertig gestellte «Rossija» entstammt einer fernen,sowjetischen Zeit, in der Hotelbetten ebenso Mangelware waren wie ein Lächeln der Etagenfrauen. Zumindest den Betten-Notstand konnte das neue Hotel beheben. Mehr als zehn Millionen Gäste übernachteten bis heute im «Rossija».

Diese rekordverdächtige Zahl sei nicht nur mit der günstigen Lagezu erklären, sagt der Generaldirektor des «Rossija». «Wie einwertvoller Schatz werden bei uns die besten Traditionen derrussischen Gastfreundschaft bewahrt», sagt Juri Alexejew. Vielenausländischen Gästen blieben wohl eher die ausgesuchte Muffeligkeitdes Personals und die Kakerlaken in den Badezimmern in Erinnerung.

Platz genug bot das Hotel für alle: Die Flure des «Rossija»erstrecken sich über eine Gesamtlänge von acht Kilometern. ZuSowjetzeiten kursierte der Witz, von manchem Zimmer aus sei es näherzum Roten Platz als zum nächstgelegenen Frühstücksbuffet. Inwestlichen Reiseführern ist bis heute wenig Positives über das Hotelzu lesen - von «entsetzlich grauer Kasten» bis zum «Schandfleck amKreml» reicht die Spanne der Bewertungen.

Im Februar hat Bürgermeister Juri Luschkow den Abriss mit derBegründung angekündigt, das «störende Gebäude» müsse verschwinden.Einen konkreten Termin gibt es noch nicht. Dass die Worte desallmächtigen Luschkows ernst gemeint sind, lässt sich am Schicksalanderer sowjetischer Hotelbauten im Zentrum erkennen.

Das «Intourist» an der Prachtmeile Twerskaja steht schon nichtmehr und das wuchtige Hotel «Moskwa» zwischen Parlament und RotemPlatz wird zur Zeit Etage für Etage abgetragen. Die unpraktischenalten Bauten sollen Tiefgaragen und multifunktionalen Zweckbautenweichen.

Das «Rossija» steht auf einem der teuersten Grundstücke imRiesenreich Russland. Der wirtschaftliche Druck ist enorm. In keinereuropäischen Stadt wird so viel, so schnell und so schrill gebaut wiein Moskau. Die Stadt Moskau ist als Eigentümer des «Rossija»zuversichtlich, in Kürze einen Investor für das Projekt nennen zukönnen.

Wird das «Rossija» abgerissen, verlieren auch viele russische undinternationale Fernsehsender ihre Studios im Westflügel des Hotels.Aus dem «Rossija» heraus wurden am Abend der Präsidentenwahl Flammenüber den Kremlmauern gefilmt. An jenem 14. März brannte dashistorische Ausstellungsgebäude Manege aus dem 19. Jahrhundert bisauf die Grundmauern ab.

Bis heute halten sich die Gerüchte in Moskau, dass dort ein«warmer Abriss» praktiziert wurde, um ebenfalls Platz für Tiefgaragenund einen Zweckbau zu schaffen. Auch in dem zum Abriss vorgesehenenHotel «Minsk» brach Anfang April ein Feuer aus.