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Roxette Roxette: Den Schicksalsschlag überwunden

Von Michael Loesl 10.02.2011, 10:08
Die schwedische Band Roxette mit Per Gessle und Marie Fredriksson steht in Köln auf der Bühne. Roxette kommt im nächsten Sommer nach Deutschland. Auf ihrer «Back with their greatest hits 2011»-Welttour wollen Sängerin Marie Fredriksson (52) und Gitarrist Per Gessle (51) ihr neues Studioalbum vorstellen. (FOTO: DPA/ARCHIV)
Die schwedische Band Roxette mit Per Gessle und Marie Fredriksson steht in Köln auf der Bühne. Roxette kommt im nächsten Sommer nach Deutschland. Auf ihrer «Back with their greatest hits 2011»-Welttour wollen Sängerin Marie Fredriksson (52) und Gitarrist Per Gessle (51) ihr neues Studioalbum vorstellen. (FOTO: DPA/ARCHIV) dpa

Köln/dapd. - «Wenn Marie und ich in den 25 Jahren als Band etwasgelernt haben, dann muss es Geduld gewesen sein», sagt Per Gesslewährend einer Stippvisite in Köln zur Präsentation des neuenRoxette-Albums «Charm School» (EMI). Es ist das erste Album desschwedischen Popduos seit der schweren Erkrankung dercharismatischen Sängerin Marie Fredriksson 2002. Und das amkommenden Freitag (11.02.) erscheinenden Album hat trotzdem dieLeichtigkeit und Unbefangenheit der Zeit davor.

«Gleicht dieser Umstand einem Wunder?», fragt der 52-jährigeGitarrist, Sänger und Komponist Gessle selbst beim Interview. «Wennwir beide gemeinsam ans Werk gehen, entsteht diese Magie, diese Ideevon Pop, der leicht, wiedererkennbar und trotzdem gehaltvoll ist.Jetzt, mit dem neuen Album, das im 25. Jahr unserer Bandgeschichteerscheint, können wir, glaube ich, wirklich behaupten, dass unsereKarriere einer Vergnügungsfahrt, einem 'Joyride' gleicht.»

Geduld und eine gute Portion Glück machte aus den beidenschwedischen Nationalhelden 1988, zwei Jahre, nachdem sie bereitsmit mehreren Nummer-eins-Hits als sichere Anwärter auf denChart-Thron ihrer Heimat galten, quasi über Nacht zu Weltstars.

Ein amerikanischer Student kehrte damals aus Schweden nachMinneapolis zurück und bat einen kleinen Radiosender, denskandinavischen Roxette-Hit, «The Look» ins Programm zu nehmen.Plötzlich hatten Marie Fredriksson und Per Gessle einen Hit in denUSA gelandet, ohne dort überhaupt eine Platte veröffentlicht zuhaben. Ein halbes Jahr später erreichte die Single Platz Eins derUS-Charts und kurz darauf in 24 weiteren Ländern.

Das Kunststück wurde mit «Listen To Your Heart», «It Must HaveBeen Love» und «Joyride» wiederholt. «Natürlich bekam der ehemaligeStudent inzwischen einen Gold-Award verliehen und vor zwei Jahrenwidmete ihm das schwedische Fernsehen sogar eine45-Minuten-Dokumentation für seine Mitschuld an unserem Welterfolg»,erzählt Gessle und lächelt. «Schuld» waren aber vor allem die zuMarkenzeichen perfektionierten Songrezepturen Gessles:Power-Pop-Akkorde, die regelmäßig in derart eingängigen Refrainsgipfelten, dass sich ihnen selbst Nörgler nicht entziehen konnten.

Die Erfolgsbilanz nach 17 Jahren Popkarriere las sich im Jahr2002 für Roxette entsprechend üppig: nahezu 75 Millionen Platten,davon fast 40 Millionen Alben, hatten Fredriksson und Gessle bisdahin verkauft. Eigentlich sah damals alles nach der Fortsetzung desKurses des Duos aus. Am 11. September 2002 fand die gemeinsameBand-Geschichte der beiden schwedischen Pop-Potentate aber einüberraschendes und in der Folge schockierendes Ende. MarieFredriksson brach zuhause zusammen. Diagnose: Gehirntumor.

«Nach dem ersten Schock traf ich damals zwei wichtigeEntscheidungen», erinnert sich Gessle. «Ohne Marie wollte ich nichtmehr als Roxette firmieren. Unsere miteinander verwobenen Stimmenhatten in meinen Augen enorm zum Erfolg unserer Songs beigetragen.Natürlich redete unser Management nach Maries Operation auf uns ein,weil man uns gerne wieder gemeinsam ins Studio und auf die Bühnegeschickt hätte. Aber ich beschloss seinerzeit, dass ausschließlichMaries Wille über eine Fortsetzung von Roxette entscheiden sollte.»

Marie noch zu unsicher für Interviews

Dass Fredriksson ihre Krankheit überhaupt besiegte, grenzt an einWunder. Nach der Diagnose gaben ihr die Ärzte eine Überlebenschancevon fünf Prozent. Zwar konnten bis heute keine neuen, bösartigenZellen in ihrem Körper festgestellt werden, aber die Krankheit habesie trotzdem verändert, erzählt Gessle. Für die Gespräche zum neuenRoxette-Album sei sie nicht mitgereist, weil ihre früheren, nahezuperfekten Kenntnisse der englischen Sprache verloren gegangen seien.

So lautet zumindest die offizielle Version. Gessle hält für einenMoment inne, bevor er ein bisschen näher auf diePersönlichkeitsveränderungen eingeht, die die Krebserkrankung seinerKollegin mit sich zog. «Ihr Kurzzeitgedächtnis muss sie langsam undbehutsam wiedergewinnen. Ich schätze, der wahre Grund dafür, dasssie nicht an diesen Interviews teilnimmt, liegt in ihrerUnsicherheit begründet. Die Popwelt kann gnadenlos sein. Du musstfunktionieren, was für einen sehr sensibilisierten Charakter wieMarie mitunter schwer zu tragen ist.»

Dass es überhaupt zu Aufnahmen für das neue Album kam, ist einmalmehr den Roxette-Tugenden Geduld und Glück zu verdanken. Als sichGessle vor zwei Jahren auf einer Solo-Tour befand, überraschteFredriksson ihn in Amsterdam mit ihrem unerwarteten Auftauchen aufder Bühne. «Wir spielten zwei Roxette-Songs und das Publikum weintevor Rührung», sagt Gessle und zeigt die zu Berge stehenden Haare aufseinem Arm. «Marie und ich waren so gerührt von dieser Reaktion,dass sie noch an diesem Abend eine Fortsetzung von Roxettebeschloss.»

40 Auftritte während der «Nokia Night Of The Proms»-Tour bewiesendem Duo 2009, dass Fredriksson nicht nur wieder fit genug fürAuftritte war. Während der Tour schrieben die beiden in ihrenHotelzimmern Songs für das neue Album, «Charme School». In insgesamtzwölf Songetappen beweisen Roxette darauf, dass ihnen derleichtfüßige Popgeist, trotz des Krankheits-Einschlags keineswegsverloren gegangen ist.

Manche der neuen Songs, die Gessle bereits vor ein paar Jahrengeschrieben hatte, wie «No One Makes It On Her Own» oder «Sitting OnTop Of The World», bekommen in der Gesangsversion seinerBandkollegin mit der tragischen Lebensgeschichte zwar einemelancholische Note. Aber zuvorderst nähern sich Roxette mit dergleichen unbekümmerten Spontaneität dem Pop ihrer Anfangstage an.