Rosenstolz: «Suchen bedeutet am Leben zu sein»
Hamburg/dpa. - Nach zwei Jahren Pause hat das Berliner Duo Rosenstolz ein neues, sehr emotionales Album aufgenommen. «Die Suche geht weiter» erscheint am 26. September und dreht sich um Liebe, Tod, Schmerz, Abschied und Vergänglichkeit.
Im Herbst gehen AnNa R. (38) und Peter Plate (41) auf große Deutschland-Tournee. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa sprechen die beiden über die Hintergründe des Albums, Erfolgsdruck und ihre Beziehung zueinander.
Euer neues Album heißt «Die Suche geht weiter». Ihr selbst seid fest verwurzelt in Berlin, wo Ihr jeweils mit Eurem Partner lebt. Wonach sucht Ihr, oder seid Ihr inzwischen angekommen?
Peter Plate: «Glücklicherweise sind wir noch auf der Suche. Suchen bedeutet, am Leben zu sein. Dass man neugierig ist und noch Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte hat. Das Wort "ankommen" bereitet mir Angst. Wenn mein Freund sagen würde, wir sind angekommen, würde ich uns einen Strick geben. Schließlich hieße das, keine Träume mehr zu haben.»
AnNa: «Vielleicht ist man auch einfach nur auf der Suche nach der perfekten Tasse Kaffee, dem perfekten Song oder dem perfekten Tag. Seine große Liebe kann man ohnehin nicht suchen, die kann man nur finden.»
Auf Euren bisherigen Alben war Liebe immer ein großes Thema. Worum geht es diesmal?
Peter Plate: «Es dreht sich viel um Trauer und Verlust. Ja auch um den Tod und die Verarbeitung von solchen Gefühlen. Dabei stößt man automatisch wieder auf Liebe, was etwas sehr Schönes ist. Alle Freunde sind auf einmal für einen da, man rückt näher zusammen.»
Eure sehr enge Freundin Elke, die Mutter von Peters Lebensgefährten, starb 2006. Den Tod habt Ihr in der Ballade «An einem Morgen im April» verarbeitet, ist es das persönlichste Lied auf dem Album?
Peter Plate: «Definitiv. Als wir mit dem Song fertig waren, dachten wir das Lied ist so wunderschön, aber auch so traurig, das kann nicht für sich alleine stehen. Insofern entstand als Gegenpol "Gib mir Sonne". Denn wenn Du rauskommst aus der Trauer, findest Du das Leben auf einmal doppelt schön. Du freust dich über die Sonne, die scheint, und denkst, wie viele Tage im Leben verplempere ich eigentlich mit sinnlosem Zeug und rege mich über Sachen auf, die völlig unnötig sind.»
Und was können die Fans musikalisch erwarten?
AnNa: «Als erstes haben sie einfach mal ein typisches Stück Rosenstolz, das ist schon mal klar. Wir sind nicht mutiert. Generell denke ich, ist es eine Fortsetzung des letzten Albums - wünschenswerterweise auch eine Weiterentwicklung. Das können wir aber selbst nicht beurteilen. Es gibt viel Wärme, es gibt erstmalig wieder ein bisschen Elektronik dabei. Die ist auch das verbindende Element zwischen den Songs. Das ganze Album ist im Prinzip ein Stück.»
Eure letzte CD «Das große Leben« war eines der erfolgreichsten Alben der vergangenen Jahre und wurde mehr als eine Million Mal verkauft. Wie groß ist der Druck, an diesen Erfolg anzuknüpfen?
Peter Plate: «Wir versuchen natürlich, uns nicht so unter Druck zu setzen. Ehrlich gesagt, weiß ich ganz genau, dass wir nie wieder eine Million verkaufen werden. Das ist utopisch. Ich schätze "Das große Leben" war das letzte deutsche Album, dass diese Marke geknackt hat. Der Markt ist seitdem um 30 Prozent eingebrochen. Aber abgesehen davon, wären wir beknackt, wenn wir unsere persönliche Zufriedenheit von dem Erfolg abhängig machen würden. Wenn es die Hälfte oder ein Drittel wird, ist es immer noch genug. Wichtig ist, dass es weiter Spaß macht, Konzerte zu geben. Uns muss aber auch klar sein, dass es wieder abwärtsgehen wird und die Hallen kleiner werden. Im Moment genießen wir es, wie es ist.»
Ihr setzt Euch seit Euren Anfangszeiten für Toleranz ein. Was hat sich seitdem in der Gesellschaft verändert, besonders was die Toleranz gegenüber Homosexuellen betrifft?
Peter Plate: «Es hat sich viel getan. Aber trotzdem gibt es noch viel zu tun. Wir haben noch immer nicht die gleichen Rechte. Wir dürfen immer noch nicht heiraten. Wir bekommen eine Verpartnerung mit lauter Pflichten, aber keinen Rechten um die Ohren gehauen und sollen uns noch darüber freuen, das ist natürlich ziemlich unverschämt. Da werden wir immer wieder darauf hinweisen.»
Mit dem Ergebnis, dass selbst Eure eigenen Fans das Konzert verlassen. Oder wie war das in Regensburg? Ihr seid zur selben Zeit wie der Papst in der Stadt gewesen und Peter hatte dessen Einstellung zur Homo-Ehe kritisiert, woraufhin einige Zuschauer aus dem Saal gingen.
Peter Plate: «Das waren wohl keine Fans. Wir lassen uns auch nicht den Mund verbieten. Das war eine seltsame Erfahrung für mich, das habe ich jahrelang nicht erlebt. Aber vielleicht auch eine gesunde. Möglicherweise sind wir dann doch nicht eine Mainstream-Band. Und die Frage ist dann auch, ob man das werden möchte.»
AnNa: «Man sollte aber auch gegenüber diesen Leuten tolerant sein. Vielleicht waren das auch unglaublich gläubige Christen und die haben das als Backpfeife empfunden, weil der Papst beleidigt wurde: Dann haben sie ja auch das Recht, beleidigt den Saal zu verlassen.»
Seit 17 Jahren seid Ihr ein Duo. Wie hat sich Eure Beziehung entwickelt? Seid Ihr wie gute Freunde, Geschwister oder einfach nur Kollegen?
AnNa: «Wir sind tatsächlich wie Geschwister. Das haben wir irgendwann so definiert. Wir halten es gut miteinander aus, wir müssen uns nicht stets gegenseitig entertainen und wir vertrauen uns natürlich auch.»
Peter Plate: «Außerdem können wir auch super zusammen schweigen, was in unserem Beruf sehr wichtig ist.»
Interview: Jenny Tobien, dpa