Rosenstolz Rosenstolz: Schlampenfieber lässt den Tiger frei
Halle/MZ. - Wie definiert man ein emotionales Wechselbad von Begierde und Sehnsucht nach Liebe? Am besten musikalisch, in Schnulzen voller Herzschmerz und ungeniert ausgesprochenem Verlangen nach Körperlichkeit. AnNa R. (Anna Rosenbaum) und Peter Plate - gemeinsam das deutsche Pop-Duo Rosenstolz - lieben Schnulzen. Die laszive Sängerin und der blonde Beau am Keyboard verstehen es, jene vielschichtigen Lebens- und Liebesgeister zu wecken. Und zwar so, dass es prickelt. Der Song "Es tut immer noch weh" ihres jüngsten Albums "Macht Liebe" behauptet sich in den Charts. Vor wenigen Tagen endete ihre Tour, die sie unter anderem nach Leipzig führte.
AnNa R. gibt die Diva in ledernem Mieder, und wechselt doch von Song zu Song die Rollen. Mal ist sie die Schlampe, mal Verletzbare; der Vamp und die Unsichere. Eine Achterbahnfahrt, auf die man sich einlassen muss. Die schrammt in gefühlsgestopften Kummer-Arien dicht am Kitsch vorbei, schwingt sich zu Rock und Neue-Deutsche-Welle-Rhythmen auf und dreht Loopings mittels stimmlicher Experimente der 33-Jährigen.
Ein Kick für Fans, dem "Bastard" zu Füßen oder im "Schlampenfieber" zu liegen, ihr "Objekt der Begierde" zu fragen: "Was ist der Preis für eine Nacht mit dir?" und ihr von Sehnsucht besessenes, "wildes Raubtier" freizulassen, so einige der Song-Verse. Auch oder gerade, wenn der eigene innere Tiger vielleicht meist eine Miezekatze ist.
Seit 1991 arbeiten die Berliner Sängerin und der 35-jährige Musiker zusammen und waren lange Kult-Stars der Schwulen- und Lesben-Szene. Doch mit jedem der nun acht Alben, die dem Debüt von 1992 folgten, wuchs der Erfolg. Inzwischen sind Konzerte so schnell ausverkauft, dass wie in Leipzig Zusatztermine angesetzt werden. Der Spagat zwischen Nähe zu Fans und steigender Popularität glückt den beiden. Die familiäre Klub-Atmosphäre verbreiten sie noch in großen Hallen, zum Beispiel wenn Plate, seine Liebe zu Männern unbefangen preisgibt, indem er von dem "attraktiven jungen Mann" am Mischpult schwärmt.
Und die weibliche Sicht? Selbst ein Schlampen-Image findet AnNa R. nicht frauenfeindlich. "Für mich sind das Frauen, die ungebrochen durchs Leben kommen wollen", meinte sie einmal. Bei aller Offenherzigkeit sind die Songs ebenso von der Angst vor Einsamkeit, Schmerz und der Suche nach Nähe durchsetzt. Am meisten wohl ihr Hit "Herzensschöner", mit dem sie 1998 zum Grand Prix angetreten und hinter Gildo Horn auf Platz zwei der Vorauswahl gelandet sind. "Mach's gut, mein Herzensschöner, nun lasse ich dich zieh'n", heißt es da, und die Feuerzeuge im Publikum brennen. Mach's gut, als Rührstück zum Konzertschluss. Aber anders als im Lied ist den Fans eine Wiedersehen mit ihren Stars gewiss. Im nächsten Jahr, zur Open- Air-Tour.