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Rosa von Praunheim Rosa von Praunheim: «Schwulsein ist nicht abendfüllend»

23.11.2007, 07:52
Der deutsche Regisseur Rosa von Praunheim (Foto: dpa)
Der deutsche Regisseur Rosa von Praunheim (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Am Sonntag (25. November) wird er 65 Jahre altund erreicht damit das offizielle Rentenalter.

Er gibt sich aber «noch fünf Jahre, um geistig klar zu arbeitenund noch viele Filme zu machen, danach wird es schwierig, Männer ab70 halten nur noch Monologe». Seine Erinnerungen, den «Monolog seinesLebens», nannte von Praunheim, ironisch auf die Erwartungshaltung derGesellschaft zielend, «50 Jahre pervers». Er kämpfte gegen dasKlischee, «dass wir schwulen Männer uns nur über Sex definieren».

Zu seinen neuen Filmen gehört der Streifen über «Meine Mütter»,der auf den Hofer Filmtagen viel beachtet wurde und im März in dieKinos kommt. «Mein traurigster, aber bewegendster Film über dieSpurensuche in meiner Heimatstadt Riga nach meinen wahren Eltern, vondenen ich bis vor wenigen Jahren nichts wusste.» Holger Radtke, wieer wirklich hieß, wurde im Krieg vom Ehepaar Mischwitzky adoptiert.Als nächstes Projekt plant der Katholik einen Film «über die Hölle».

Der Geburtstag des nach eigenen Worten «produktivsten unddienstältesten schwulen Filmemachers der Welt» wird in Berlingebührend gefeiert, mit einer öffentlichen Kino-Party, einerRetrospektive seiner Filme im Filmkunstkino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz («65 Filme zum 65. Geburtstag», bis 22. Dezember) undeiner Ausstellung im Schwulen Museum zu Leben und Werk desFilmemachers und Pioniers der Schwulenbewegung in Deutschland. EineDVD-Box (ab 26.11.) versammelt 20 DVDs.

Der Film «Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern dieSituation, in der er lebt», löste 1971 einen riesigen Wirbel bei denInternationalen Filmfestspielen in Berlin aus. Mit dem Streifen, derauch die Schwulenszene selbst kritisch beleuchtete, läutete der jungeRegisseur die Emanzipation der Homosexuellen-Bewegung in der bisdahin eher prüden Republik ein, die von der 68er Studentenbewegungmit ihren Wohngemeinschaften erst verstört und dann toleranter wurde.Nach Praunheims Film wurden in der Bundesrepublik über 50Schwulengruppen gebildet.

Dabei war der junge Praunheim, als er in den 60er Jahren nachBerlin zog, eher aggressiv auf Schwule. «Das war aus einerversteckten Homosexualität heraus», wie er heute in einem Gesprächmit der Deutschen Presse-Agentur dpa bekennt. «Ich war mit einer Frauzusammen und fand Schwule unangenehm, ich hatte noch viele Klischeesim Kopf.» Das sollte sich bald ändern.

Als Praunheim in die Schwulenszene geriet, fand er die meistenHomosexuellen «ziemlich verklemmt und spießig, was viele heute nochsind». Das machte ihn wütend, genauso wie die Feststellung, dass«viele Schwule nicht menschlich miteinander umgehen, unpolitisch undfeige sind und sich oft in Sex und kitschige Welten flüchten».Dagegen begann Praunheim, Filme zu machen, auch mit den Mitteln derIronie und der Satire, was ihm auch Feinde in den eigenen Reiheneintrug. Wegbegleiter waren dabei auch exzentrische Frauenfiguren,ältere Schauspielerinnen wie Lotti Huber («Affengeil») oder dieChansonsängerin Evelyn Künneke, mit denen er auch eng befreundet war.

«Sicher, schwulsein ist nicht abendfüllend, aber ich habe michdoch sehr engagiert, das ist doch nichts Schlechtes.» Sogar zumHochschuldozenten brachte er es in Potsdam, was Praunheim allerdingsauch so manche Illusionen über Hochschulen und Film raubte. Jetzthofft Praunheim auf den im April in Berlin geplanten Start einesschwulen Fernsehkanals. Eine neue Plattform zum «weiterkämpfen»,gegen die anhaltenden Gefahren der Immunschwächekrankheit Aids ebensowie die Tendenz der Schwulenszene, sich wenigergesellschaftspolitisch zu engagieren. Das Outing von Prominenten imFernsehen, mit dem Praunheim 1991 einen Skandal auslöste, istVergangenheit.

Eine «Skandalnudel» will der Regisseur nicht mehr sein. «Auch dasStarleben habe ich hinter mir. Ich will weiter gute Filme machen.»Und was ist nun mit dem Älterwerden? «Es ist wunderbar, eine neueErfahrung. Man ist nicht mehr so sehr vom Urteil der anderenabhängig. Und ab einem gewissen Alter ist man auch kein Sexobjektmehr und dann freut man sich, als Mensch gemocht zu werden, so wievon meinem langjährigen Freund Mike, mit dem ich nun schon 30 Jahrezusammen bin. Und ich habe zurzeit das beste Sex-Leben, das ich jehatte, ohne Leistungsdruck. Das ist schön.»