Roman vom Verleger Reinhold Neven Du Mont
Köln/dpa. - Es ist ein Buch aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt - auch wenn es gerade erst geschrieben wurde und in der Nähe von München spielt.
Und «Die Villa» ist ein Debüt-Roman - auch wenn der Autor zu den bekanntesten Persönlichkeiten der deutschen Literaturszene gehört. Reinhold Neven Du Mont (72), früher Eigentümer von Kiepenheuer & Witsch und erfolgreicher Verleger, erzählt von einer Familie von Fabrikanten und Geschäftsleuten, über die 30er Jahre, die Kriegszeit und das Wirtschaftswunder, über menschliche Abgründe in einer Atmosphäre, die es heute nicht mehr gibt.
Er tut also das, was Literatur am besten kann - er entführt seine Leser. Mit seiner Sprache trifft er den Ton genau. Sein Protagonist Robert, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend und großbürgerliche Ambitionen verfolgend, klingt authentisch. Neven Du Mont verzichtet auf dramaturgische Lawinen. Seine Steine rollen eher leise in den Abgrund - aber nicht weniger erschütternd.
Kaum zu überbieten ist zum Beispiel die kleine Szene, in der Robert sich einen Ferienjob in der Villa durch Lüge und Verrat sichert. Am Ende des Vorstellungsgesprächs bei seiner späteren Geliebten Elisabeth sagt Robert, der Student: «Georg Merz hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass er morgen nicht kommen wird. Er hat für die Ferien etwas anderes gefunden.» Georg ist ein Freund Roberts, wollte dieselbe Stelle und hatte keineswegs einen alternativen Job. Er war einfach im Weg und wurde mit einer kleinen Lüge weggeräumt.
Ähnliche Momente gibt es viele. Menschen, die man längst zu kennen glaubt, offenbaren plötzlich ihre dunklen Seiten, sei es der Kunsthändler Otto Lauterbach, Elisabeths Vater, oder Konrad, ihr Mann. Je mehr man sich einlässt auf seine Charaktere, desto weniger will man das Buch aus der Hand legen. Die vielen kleinen Geschichten fesseln statt einer großen. Denn letztlich ist auch Roberts Liebe zu der sehr viel älteren Elisabeth, so bedeutsam ihm dieses Erlebnis erscheinen mag, nur einer unter vielen Handlungssträngen.
Reinhold Neven Du Mont spricht von einem «Wagnis», dessen er sich bewusst gewesen sei, als er den Roman schrieb. Wer Autoren wie Heinrich Böll und Günter Wallraff, Gabriel Garcia Márquez und V.S. Naipaul verlegte, dessen Werk wird ganz anders betrachtet als der Erstling eines unbekannten Schriftstellers. Deshalb war auch sofort klar, dass das Buch keinesfalls in seinem früheren Verlag erscheinen würde - 2002 hatte er den größten Teil seiner Anteile verkauft. Neven Du Mont wollte bei Kiepenheuer & Witsch keinen Heimvorteil ausspielen, sondern suchte sich einen anderen Verlag.
Und er ließ Kürzungen und Straffungen zu, wie sie fast jeder Autor mit seinem Lektor diskutiert. Zwei Dinge blieben jedoch, die das Lesen etwas erschweren. Zum einen ist Robert zugleich Ich-Erzähler und allwissender Erzähler. Zwar findet er Tagebücher und führt Gespräche mit einer alten Bewohnerin der Villa, aber das kann bei weitem nicht all sein Detailwissen über Begebenheiten erklären, die er nie miterlebt hat. Und zum zweiten gibt es einige Ungenauigkeiten, zum Beispiel was das Geburtsjahr Leons, Elisabeths Sohn, angeht - die aber in der nächsten Ausgabe behoben werden sollen.
Im März erscheint übrigens «Reise zu Lena», ein Roman von Alfred Neven DuMont (81), der ältere Bruder von Reinhold Neven Du Mont (sie schreiben ihren Nachnamen unterschiedlich). Alfred Neven DuMont zählt zu den größten Zeitungsverleger-Persönlichkeiten in Deutschland (unter anderem «Kölner Stadt-Anzeiger» und «Frankfurter Rundschau»), hat aber auch schon den Roman «Abels Traum» und Erzählungen veröffentlicht.
Reinhold Neven Du Mont
Die Villa
C.H. Beck Verlag, München
336 S., 18,90 Euro
ISBN 978-3-406-58242-4