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Riccardo Muti Riccardo Muti: Triumph und Ärger mit der «Scala»

Von Peer Meinert 27.07.2006, 13:00
Der italienische Dirigent Riccardo Muti wird 65 Jahre alt. (Foto: dpa)
Der italienische Dirigent Riccardo Muti wird 65 Jahre alt. (Foto: dpa) KEYSTONE

Rom/dpa. - Seit Herbert von Karajan hat kein anderer Dirigent sogebieterische Miene gemacht, wenn er zum Taktstock greift, wieRiccardo Muti. Energisch hebt er das Kinn in die Höhe, wirft dieLocken in den Nacken - seine musikalische Kompromisslosigkeit ist ihmbeinahe schon äußerlich anzusehen. «Ich bin kein Fundamentalist»,sagte der Italiener einmal über sich selbst. Ganz überzeugend klingtdas nicht. Am 28. Juli wird Riccardo Muti 65 Jahre alt - einer dergrößten Dirigenten der Gegenwart ist er allemal.

Aufbrausend kann er sein, hitzig, schließlich kommt Muti ausNeapel. Seine Leidenschaft ist sicher auch Mitschuld daran, dass derMaestro «sein Zuhause» verloren hat. Vor gut einem Jahr hatte er inder Mailänder «Scala» das Handtuch geworfen - nach fast 20 Jahrelanger, hoch gelobter Wirkungszeit und einem heftigen Streit mitIntendanz und Orchester. Worum es dabei genau ging, wussten damalsnicht einmal Insider zu sagen. «Künstler sind wie Kinder, verwöhnt,eitel und anmaßend», versuchte Regie-Altmeister Franco Zeffirelli dasChaos zu erklären. Zeitweise schien Muti verbittert, sprach von einem«neuen Kapitel in meinem Leben, als Musiker und als Mensch». Jetztdirigiert er wieder in der ganzen Welt: Ende Juli bei den SalzburgerFestspielen, natürlich wieder einmal «Die Zauberflöte».

Muti gilt als Perfektionist, als Präzisionsfanatiker, vor allemaber stellt er das Prinzip der «Werktreue» über alles. FürExtravaganzen, «schrille Töne und Fortissimi» oder besonders«aktuelle» Inszenierungs-Ästhetiken hat er nicht viel übrig. Mutisoll sich unter anderem mit Luciano Pavarotti angelegt haben - wegeneines zu langen hohen C des Tenors.

«Eine Violine, die mir mit acht Jahren geschenkt wurde, verändertemein Leben», bekannte er einmal. Dabei wechselte er wenig später zumKlavier, mit 17 Jahren ging er ins Konservatorium. Nach erstenErfolgen in der Heimat debütierte er 1971 bei den SalzburgerFestspielen mit Donizettis «Don Pasquale» - das war der Durchbruch.Von da an ging es steil aufwärts: Der Mann mit der schwarzenHaarpracht stand im Philadelphia Orchestra am Pult und an der Spitzedes Philharmonischen Orchesters in London. Er tourte durch die USA,gastierte in Wien, arbeitete mit Eifer im Plattenstudio.

Nur mit der «Scala» war es immer so eine Sache. Schon der ersteAnnäherungsversuch endete mit einem Debakel: Bereits 1970 sollte erdort dirigieren, doch nachdem es ihm nicht gelungen war, seinekünstlerischen Vorstellungen durchzusetzen, brach er die Generalprobeab. Zehn Jahre lang machte er einen Bogen um Mailand, bis ihm dievollständige künstlerische Freiheit garantiert wurde. Triumphalkehrte er 1981 zurück. Muti dirigierte glanzvolle Mozart-Abende, «DieHochzeit des Figaro», «Cosi fan tutte», «Don Giovanni».

Er brillierte mit Verdi-Opern wie «Nabucco» und «La Traviata»,nahm Wagner-Werke wie «Parsifal» wieder in den Spielplan auf. Stetshielt er das Prinzip der «Werktreue» ganz hoch: «Hier an der Scalawerden wir uns nicht mit dem Tand zufrieden geben, den man in manchenOpernhäusern hört, wo Sänger und Dirigenten keinen Respekt vor demNotentext haben.»

Herbert von Karajan (1908-1989) habe ihm einmal gesagt: «Nachdieser Oper werden Sie als Musiker nicht mehr der gleiche sein."Parsifal" ändert die Art zu fühlen, zu sein, das Leben.»  Mehrfachdirigierte Muti in den 70er und 80er Jahren die Philharmoniker inBerlin. Doch Nachfolger Karajans wurde nicht er, sondern seinErzrivale Claudio Abbado. Manche sprachen vom «Krieg der Maestri».

Auch sonst ist Muti, der «neapolitanische Feuerkopf», für einenEklat oder ungewöhnliche Wendungen gut: 1996 etwa bei den SalzburgerFestspielen. Er werde keine Opern mehr dirigieren, kündigte Muti an,solange Gerard Mortier dort das Sagen habe. Als 1995 an der MailänderScala eine Aufführung wegen eines Orchesterstreiks zu platzen drohte,setzte sich Muti selbst ans Piano und begleitete die Sänger, dieBesucher waren begeistert. Begeisterung herrschte auch, als«Feuerkopf» Muti nur wenige Wochen nach seinem spektakulären Abgangan die «Scala» zurückkehrte - als Gast mit den WienerPhilharmonikern. «Ein Triumph», schwärmte der Neapolitaner.