1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Rezensionen: Rezensionen: Mit Krieg ist der Terrorismus nicht zu besiegen

Rezensionen Rezensionen: Mit Krieg ist der Terrorismus nicht zu besiegen

Von Dieter Baukloh 20.01.2003, 12:30
Rund zehn Jahre wird der Neubau des von Terroristen zerstörten World Trade Centers dauern. (Foto: dpa)
Rund zehn Jahre wird der Neubau des von Terroristen zerstörten World Trade Centers dauern. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Wenn der Krieg gegen den weltweiten Terrorismus nach Afghanistan jetzt auch den Irak treffen sollte, wird das nur wenige überraschen. Auf eine Wende zur friedlichen Lösung des Konflikts hofft noch in letzter Minute der Autor Jürgen Todenhöfer, Kenner der Krisenregionen am Hindukusch und am Persischen Golf. In seinem hochaktuellen Buch «Wer weint schon um Abdul und Tanaya - Die Irrtümer des Kreuzzuges gegen den Terror» kommt der frühere CDU- Politiker und heutige Burda-Verlagsmanager zu einem ebenso einfachen wie grundsätzlichen Schluss: «Angriffskriege gelten seit den Nürnberger Prozessen als schweres völkerrechtliches Verbrechen.»

Aus der Sicht Todenhöfers, der viele Jahre als Fachmann für Entwicklungs- und Rüstungskontrollpolitik im Bundestag saß, ist dem internationalen Terror mit konventionellen Kriegen nicht beizukommen. Wer muslimischen Terrorismus besiegen wolle, «muss sicherstellen, dass dieser nicht täglich neuen Zulauf aus dem riesigen Menschenpotenzial von rund 1,3 Milliarden Muslimen erhält. Das aber werden wir nur schaffen, wenn wir zeigen, dass wir nicht nur stärker sind als Bin Ladens al Qaida, sondern auch gerechter und menschlicher», schreibt der Autor, der mehrmals in Afghanistan und Ostern 2002 zuletzt in Iran war. Er nennt Deutschland als Beispiel für erfolgreiche Terrorbekämpfung: «Wir haben die Rote Armee Fraktion besiegt, weil wir gegen ihren gewalttätigen Kern und gegen ihre Sympathisanten hart, aber auch gerecht, geduldig und gelassen - mit den Mitteln des Rechtsstaats - vorgegangen sind.»

Der Afghanistankrieg war für Todenhöfer «der teuerste, blutigste und peinlichste Flop» bei der Terrorismusbekämpfung. Al Qaida-Chef Osama Bin Laden sei entkommen, seine Organisation nach großem Zulauf heute gefährlicher als vor den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington mit über 3 000 Toten. Zudem sei der Frieden in Afghanistan trotz Vertreibung der radikalislamischen Talibankämpfer noch nicht erreicht, das Land im Chaos versunken. Als nach dem militärischen Sieg am Hindukusch Erfolgsmeldungen bei der Jagd nach Bin Laden ausblieben, hätten die Amerikaner Saddam Hussein zum Thema Nr. 1 der US-Außenpolitik gemacht. Iraks Machthaber, bis dahin «nur» ein schrecklicher Diktator mit Hang zu Massenvernichtungswaffen, sei schnell zum Mäzen des fundamentalistischen Terrorismus umfunktioniert worden.

Todenhöfer war und ist kein Pazifist, er kommt nicht fanatisch oder belehrend daher, wohl aber bewusst subjektiv, streckenweise etwas einseitig. Er nimmt offen Partei für «sein» Afghanistan, das er das geschundenste Land der Welt nennt, und die Menschen in Irak. Er ist betroffen vom Leid, das er vor Ort erlebt hat. Todenhöfer hat auch nicht sein Parteibuch gegen das der Grünen getauscht. Wohl aber hebt er sich in seiner strikten Haltung gegen die Kriegspolitik von US-Präsident George W. Bush ab von vieler seiner Parteifreunde. Er geht sogar so weit, Öl-Interessen der USA als Grund für einen neuen Irak-Krieg ins Spiel zu bringen. Bush bereite offenbar planmäßig einen Schlag gegen ein arabisches Land vor, «um dessen Erdölvorräte unter Kontrolle zu bekommen. Vorwände für einen Angriff werden nicht schwer zu finden sein.» Im übrigen habe die Frage der Ölvorkommen in den letzten 100 Jahren die USA, Großbritannien und Frankreich «stets erheblich mehr beschäftigt als das Schicksal der Menschen in Irak».

Dem Autor ist vor allem daran gelegen, auf das Leid der Menschen und besonders das Elend der Kinder hinzuweisen, die in solchen aus seiner Sicht völkerrechtswidrigen Kriegen von Minen und Bomben getötet oder verstümmelt werden. Er verschweigt auch nicht die Verbrechen, die fundamental-islamische Terroristen im Namen Gottes verübt haben, will aber zugleich Toleranz wecken für die große Mehrzahl der Muslime, die aus ihrem Glauben kein Recht zur Gewalt gegenüber Andersgläubigen ableiten. Für sie seien die verheerenden Anschläge in den USA ebenso verabscheuungswürdig wie etwa für Christen.

Der Titel des informativen und lesenswerten Buches greift die Schicksale von zwei jungen Menschen auf: Eines durch Kriegsfolgen schwer verletzten jungen Afghanen namens Abdul, den Todenhöfer 1984 zur Behandlung nach Deutschland brachte und der jetzt als Vater dreier Kinder ein zwar behindertes, aber glückliches Leben in seiner Heimat führt. Tanaya ist eine 16-jährige Irakerin, die nach dem Tod der Mutter und Misshandlungen des Vaters in Bagdad buchstäblich auf der Straße gelandet war. Todenhöfer traf sie beim Besuch eines «Hauses der Barmherzigkeit».

Jürgen Todenhöfer:
Wer weint schon um Abdul und Tanaya?
Die Irrtümer des Kreuzzugs gegen den Terror
Verlag Herder, Freiburg/Br., 223 S., Euro 19,90 (ISBN 3-451-28115-5)