Reinhard Mey Reinhard Mey: «Alles wird gut» im «Mairegen»
Berlin/dpa. - Wie macht und singt man seine Lieder, wenn dereigene Sohn ins Koma fällt? Der Berliner Liedermacher Reinhard Mey(67) hat es versucht, das Ergebnis ist von diesem Freitag (7. Mai) anals sein 25. Studioalbum (EMI) auf seiner neuen Produktion«Mairegen» zu hören, das vielleicht bewegendste Musikalbum diesesFrühjahrs, auch wenn es musikalisch weitgehend auf eher eingefahrenen«Mey-Wegen» bleibt. Insgesamt hat Mey bisher etwa 50 Alben mit fast500 Chansons veröffentlicht.
«Ich singe um mein Leben» und von «schwerem Wetter» hatte dersonst vor allem für seine träumerischen («Über den Wolken») undhumorvollen Alltagslieder («Der Mörder ist immer der Gärtner»)bekannte Liedermacher schon früher gesungen. Aber manchmal kommt esim Leben so richtig «knüppeldick», wie es im «Mairegen» jetzt heißt,dem Regen, dem schon der Dichter (des Deutschlandliedes) Hoffmann vonFallersleben vor 170 Jahren Wunder- und Zauberkräfte zugeschriebenhat.
«Mairegen mach mir Mut, Mairegen lass mich glauben, alles wirdgut...regne meinen Kummer fort, lindere meinen Schmerz», beschwörtReinhard Mey jetzt neue Heilungskräfte. Sein zuletzt in Asienlebender Sohn Maximilian (28), der 2003 das Elternhaus verließ, warim März vergangenen Jahres mit einer schweren Lungenentzündungbewusstlos zusammengebrochen und nach einem vorübergehenden Herz- undAtemstillstand in ein Wachkoma gefallen, wie Mey im Herbst 2009 derÖffentlichkeit mitteilte. Seitdem hüllt er sich in Schweigen, auchweil er jeden «Presserummel» um seinen Sohn vermeiden will, dahergibt es auch zum neuen Album erstmals keine Interviews. «Bei allemwar die Sorge um unseren jüngsten Sohn und meine Familiegegenwärtig...Das was mich wirklich bewegt, was mein Denken undHandeln bestimmt, kann ich nicht in eine Unterhaltungssendungtragen...Ich bin nicht lustig, und ich habe nicht das Herz für SmallTalk», schreibt Mey dazu jetzt auf seiner Internetseite.
«Ich werde immer singen, das ist mein Beruf, mein Leben, aber wennich gesungen habe, lasst mich still sein.» Im Herbst 2011 ist auchwieder eine Tournee durch 60 Städte geplant. Zurzeit gilt im HauseMey, das auch die beiden anderen erwachsenen Kinder Frederik (33) undVictoria-Luise (24) längst verlassen haben, das Prinzip Hoffnung, vordem Fenster im idyllischen Berliner Vorort Frohnau blüht wieder derKastanienbaum. «Ich singe um mein Leben» und «Ich bring dich durchdie Nacht», hieß es schon früher bei Mey.
Dafür sollen die neuen Lieder sprechen. Wie zum Beispiel«Drachenblut», die erschütternde Liebeserklärung eines Vaters anseinem vom Schicksal so schwer getroffenen «rebellischen» Sohn. «EinLidschlag nur, ein Augen-Blick, ein Zeichen ist geblieben, und dieEntschlossenheit, dich in die Welt zurückzulieben.» Sein zärtlichgeliebter Max habe sein Lebenslicht, wie wohl so viele ungestüme undlebenshungrige Naturen, «an beiden Seiten angezündet, nun ringt esflackernd um seinen Schein - mein fernes, mein geliebtes Kind, schlafein». Es ist ein Lied für einen Sohn, den der Vater einen «ruhelosSuchenden, einen Durchreisenden» nennt, einen «Bungeespringer», derin Thailand und Kambodscha auf der Suche nach der «Blauen Blume» warund dabei «über Grenzen gegangen» ist, wie es Mey formuliert.«Selbsterfahrung» nannte es Max wie so manche seiner Altersgenossenanknüpfend an die Aufbruchstimmung der rebellischen 68er Generation.
«Die Zeit des Gauklers ist vorbei» gehört zu MaximiliansLieblingsliedern, der ansonsten die Musik seines Vaters weniger hört,weil er Musik hauptsächlich zum Entspannen braucht, «und wenn manseinen Vater hört, dann ist das nicht unbedingt entspannend». DennMax hatte auch, wie so manche Kinder prominenter Eltern, öfter auch«'ne Menge Schwierigkeiten» zuhause, wie er einmal in einer Befragungfür die 2005 erschienene Autobiografie seines Vaters sagte («Was ichnoch zu sagen hätte»). Er habe aber auch selbst «viele Dummheiten»gemacht, «die Eltern hatten, glaube ich, wirklich wenig Spaß mitmir». Max war eben schon immer der «junge Rebell», der nicht zuhalten war, wie sich sein Vater in einem Lied erinnert - «du gehst zuweit, du gehst zu schnell...in schwerem Wetter ganz allein».
Aber das neue Album Reinhard Meys enthält auch andere Lieder, dievom satirisch-ironischen wie auch liebevollen Blick des altgewordenen Liedermachers («alt und grau») auf den Alltag und seineMitmenschen singen, wie zum Beispiel über die nimmermüde Antje imWurstbuden-Imbiss an der B 10, oder die «gute Seele» von altemSchulfreund oder die «Flachbildschirm-Nation», denn «Deutschland willnur spielen, Deutschland tut doch nichts». Und Mey erinnert sich auchwieder an so manches «erste Mal», an das erste Glas Wein, den erstenKuss oder das erste Mal im Kino mit «Jenseits von Eden» (mit JamesDean) oder an seine ersten frühen Schuljugend-Musikerauftritte imBerliner Jugendclub «Fuchsbau» mit «The Rotten Radish Skiffle Guys» -«du brauchst nur drei Griffe, einen Traum und Mut».
Musikalisch ist Mey sich treu geblieben, seine Gitarrengriffebleiben überschaubar. Der auch gesellschaftspolitisch engagierte Meyist schon vor Jahren auch brisanten Themen wie Kindesmissbrauch oderAusländerfeindlichkeit nicht aus dem Weg gegangen. Und auch jetzt räter seinen Kindern «Fliegen kannst Du nur gegen den Wind». Und dasFinale des neuen Mey-Albums singt Konstantin Wecker (aus seinem Album«Zugaben»), den Max so mag: «Was keiner wagt, das sollt ihrwagen...wo alles dunkel ist, macht Licht.»