"Purer Luxus" "Purer Luxus" in Leipzig: Die unterschiedlichen Auffassungen von Wohlstand

Leipzig - Für den einen ist es das teure Auto oder die Designer-Garderobe, für den anderen mag es die kostbare Zeit sein, die man sich für die Familie nehmen kann: Luxus ist für jeden Menschen etwas komplett individuelles und scheint in der Gesellschaft dabei eine nicht unwichtige Rolle zu spielen. Doch wie stellt sich Luxus dar? Ist er einfach ein prollig zur Schau getragener Reichtum oder gar ein einfaches Stück Butter?
Fragen wie desen widmet sich die neue Ausstellung „Purer Luxus“ im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Gezeigt wird dabei in sieben Themenbereichen und mit rund 400 Objekten zum einen die historische Perspektive als auch der Blick in die Gegenwart: Luxus sei, unabhängig von der Epoche, immer eine Mischung aus einer individuellen Freude am Genuss und am persönlichen Besitz, andererseits spiele aber auch die gesellschaftlich definierte Bewertung von Übermaß eine Rolle - also dem, was über dem Standard liege, sagt Iris Benner, Projektleiterin der Ausstellung.
Individueller Wohlstand in der DDR
Die individuelle Interpretation des Luxusbegriffs selbst in der Nachkriegszeit lässt sich bereits zu Beginn des Rundgangs erahnen: Denn dort empfängt einem ein in Handarbeit gefertigter Nachbau des legendären Porsche 326 aus den 1950er Jahren. Die Fahrzeugbau-Studenten Knut und Falk Reimann hatten sich 1956 in Dresden damit ihren ganz persönlichen Traum vom Sportwagen erfüllt und mit dem exquisiten Gefährt sogar Reisen nach Rom und Paris unternommen.
Demgegenüber steht in der Ausstellung ein Tandemrad, dessen verrostetes Gestell über und über mit zerschlissenen Taschen behangen ist. Es scheint so, als würde der Besitzer des Rades sein gesamtes Hab und Gut mit auf Tour nehmen. „Der Kontrast zu dem Porsche-Replik ist dabei beabsichtigt. Er wirft die Frage in den Raum, was Menschen auf unterschiedliche Weise als wertvollen Besitz sehen“, sagt Iris Benner. Ein weiterer Blick in die Nachkriegszeit verrät zudem vor Ort, dass Luxusgüter auf dem Schwarzmarkt als Tauschobjekte für Lebensnotwendiges galten, während ein bloßes Stück Butter für viele unerreichbarer Luxus geworden war.
Einen besonders protzigen Eindruck von Wohlstand vermittelt der Themenbereich der Aufbaujahre. Begleitet von Ludwig Erhards „Wohlstand für Alle“-Titel wird dort dargestellt, wie mit der sozialen Marktwirtschaft auch der Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland wuchs. Als eines der Prunkstücke dieser Zeit ist dort in einer Art goldenen Käfig der legendäre Showmantel von Marlene Dietrich ausgestellt, für den mehr als 300 Schwäne ihre Federn lassen mussten.
Doch auch bei breiten Bevölkerungskreisen verstärkte sich der Wunsch nach Exklusivität, was sich in den Bereichen Essen, Reisen und Mode unüberschaubar darstellte. Dass dem Überfluss gleichzeitig jedoch auch immer schon moralische und ökonomische Bedenken gegenüberstanden, wird vor Ort ebenfalls anschaulich vermittelt. Besonders interessant wird auch der Kontrast zwischen Ost und West beim Thema Luxus behandelt.
Große Unterschiede zwischen BRD und DDR
Denn während in der Bundesrepublik in den 1980er Jahren unter den Jugendlichen der Markenwahn ausgebrochen war, schrieb ein DDR-Bürger 1988 einen wütenden Brief an das Fernsprechamt Berlin, in dem er sich beschwert, dass er seit elf Jahren vergeblich auf einen Telefonanschluss wartet. Auch das Schreiben ist in der Ausstellung dokumentiert. Anhand einiger Beispiele wird den Besuchern klargemacht, dass der Begriff „Luxus“ in der DDR ein etwas anderer war als in der BRD. Und dennoch auch vorhanden war, wenn auch manchmal etwas improvisiert: Frauen, die in der damaligen Lifestyle-Zeitschrift „Sibylle“ ein begehrenswertes Kleidungsstück entdeckten, es wie in den meisten Fällen aber nicht im Laden nicht kaufen konnten, schneiderten dieses einfach nach dem enthaltenen Musterbogen nach.
Und in der Gegenwart? In Deutschland ist Luxus heute angesichts der Globalisierung und medialen Vernetzung scheinbar immer und überall erreichbar. Gerade in sozialen Netzwerken nutzen viele permanent die Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Auch in der gegenwärtigen Situation greift die Ausstellung das Thema umfassend auf und zeigt es als gesellschaftliches Phänomen mit all seinen Funktionen: als Zeichen von sozialen Status, als Wohlstandsindikator und Wirtschaftsfaktor, als Ausdruck von Lebensstil und auch als einen Inbegriff der Ungleichheit.
Am Ende des Rundgangs findet man sich in einem Raum wieder, der sich der, von vielen Menschen als Luxusgut erachteten Zeit widmet. Und spätestens dann fällt auf, dass sie zu den wenigen Dingen auf der Welt zählt, die man nicht kaufen kann.
Bis 13. April 2020: Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, Grimmaische Straße 6, Di-Fr 9-18 Uhr, Sa-So und Feiertage 10-18 Uhr, Eintritt frei
(mz)

