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Puppentheater Halle Puppentheater Halle (Saale): "Russki Wetscher" intensiver russischer Abend

Von Andreas Montag 09.06.2017, 23:05
Ines Heinrich-Frank und Nils Dreschke in „Die Zukunft ist nicht mehr an ihrem Platz“
Ines Heinrich-Frank und Nils Dreschke in „Die Zukunft ist nicht mehr an ihrem Platz“ Anna Kolata

Halle (Saale) - Das hatte mancher dann wohl doch nicht erwartet von dem wahrlich experimentierfreudigen Puppentheater in Halle: Ein dreiteiliger Abend, der einen russischen Abend versprach, was sich ja nach Samowar, Wodka und viel Seele anhört.

Seele ist wirklich dabei, Wodka ebenfalls - aber es geht erstens sehr politisch zu und zweitens wird ein lustvoll kühner Sprung ins Intellektuelle riskiert, um Wasserstände und Untiefen zu ermitteln.

Das ist schon ein starkes Stück, es fordert sein Publikum deutlich heraus, beschert ihm am Ende aber vielleicht doch die Hitze, für die sonst die russische Sauna zuständig ist - gedanklich eben.

„Russki Wetscher“ im Puppentheater Halle (Saale): Etwas Märchen, etwas Tschernobyl, etwas Nachkriegswut

Was der Regisseur Christian Sengewald („Die Zukunft ist nicht mehr an ihrem Platz“) und seine inszenierenden Kolleginnen Ivana Sajevic („Comradely Greetings“) und Katharina Kummer („Bei uns ist alles in Ordnung!“) abliefern, leidenschaftlich umgesetzt von Ines Heinrich-Frank, Anna Menzel, Nils Dreschke und Nico Parisius, ist der Versuch, die in Halle ohnehin weit gesteckten Grenzen des Puppentheaters sowohl inhaltlich als auch formal noch auszudehnen.

Das gelingt zweifellos, alle im Team, voran die Puppenbauer, haben dazu beigetragen - nicht zuletzt auch Angela Baumgart, die Bühne und (die meisten) Kostüme entwarf, sowie Ralf Meyer als Dramaturg. Doch wird man sich fragen müssen, ob hier des Guten etwas weniger vielleicht mehr - und ein wenig Hinführung nicht hilfreich gewesen wäre.

Im ersten Stück, aus drei Miniaturen bestehend, ist die Bühnenwelt noch übersichtlich: Ein hintersinniges Märchen, die Tragödie von Tschernobyl und die Wut ehemaliger Sowjetbürger, die den Krieg gewonnen, aber sonst alles verloren haben, geben die Themen ab.

„Russki Wetscher“ im Puppentheater Halle (Saale): Ein Abend, der es in sich hat

Spannend wird es im zweiten Teil, der von der russischen Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa und ihrer Band Pussy Riot erzählt. Die Musikerin saß in Lagerhaft und führte einen Briefwechsel mit dem Philosophen Slavoj Žižek, einem Guru der Linksintellektuellen.

Hier geht es zur Sache - nicht nur, weil Žižek als aufgeblasener, versoffener Macho vorgeführt wird. Vor allem findet in einem szenischen Diskurs von 30 Minuten ein Parforceritt statt, bei dem der eine oder andere Teilnehmer allerdings womöglich vom Pferd fällt. Oder aufgeben muss.

Am Ende bringt Ines Heinrich-Frank mit einem anspruchsvollen, sehr innerlichen Solo für wenigstens vier Frauen (und im Gespräch mit deren Video-Animationen) die Poesie zurück. Aber leichtes Brot wird auch dabei nicht gereicht. Es ist ein Abend, der es in sich hat. Doch man soll ihn sich getrost ansehen.

Die nächste Vorstellung von „Russki Wetscher“ findet am 10. Juni um 20 Uhr statt

(mz)