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Puppentheater Halle Puppentheater Halle: Das Leben der Anderen

Von joachim lange 04.05.2014, 20:27
Können Puppen sterben? Oder lieben? Oder beides? Das Puppentheater Halle gibt Auskunft über das Leben, das die Figuren führen.
Können Puppen sterben? Oder lieben? Oder beides? Das Puppentheater Halle gibt Auskunft über das Leben, das die Figuren führen. puppentheater halle Lizenz

halle (saale)/MZ - Dass Puppen auch nur Menschen sind, für diese natürlich illusorische Erkenntnis hat das Puppentheater in Halle schon oft Indizien beigesteuert. Vor allem, wenn sich Menschen aus Fleisch und Blut, so wie in der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel die Pianistin Ragna Schirmer oder die Hallesche Opernprimadonna Romelia Lichtenstein, wie der special guest in der Muppets Show, unter die Darsteller mischen und auf Augenhöhe mit den Puppen „verkehren“. Womit nicht immer die Körpergröße gemeint ist. Der große Maurice Ravel bleibt rein puppenkörperhaft viel kleiner als die Pianistin. Braucht einen Spezialflügel und einen Spezialstuhl. Und kommt doch daher wie ein alter Bekannter.

Dieser so wunderbar mit Wiedererkennbarkeitseifer gebaute Künstlerdoppelgänger hat auch in der kleinen, aber feinen Revue, mit der Christoph Werner uns einen Blick ins Seelenleben seiner Puppen gönnt, einen Auftritt. Das Puppentheater hat sich nicht nur als Gastgeber, sondern auch bei der eigenen Festwochen-Produktion nicht lumpen lassen. Angela Baumgart füllt die Spielfläche mit einer Kasperltheaterbühne mit rotem Vorhang und einem Bartresen. Sebastian Herzfeld steuert wie so oft die Musik und wunderbare Songs bei, die man gerne wieder hören würde. Und für den kleinen Vortrag der Frau Prof. Dr. Dr. Dr. Puppenwissenschaftlerin mit dem Namen, den sich kein Mensch merken kann, gibt’s eine Leinwand und witzige Video-Stricheleien von Conny Klar, damit der Ausflug in die Geschichte des Puppenspiels auch ja richtig verstanden wird.

Knautsch- trifft Holzkopf

Dem kecken Marionettenknaben freilich passt das nicht, was er da zu hören bekommt. Die angebliche Entwicklung von Niederen (sprich der Handpuppe) über die Marionette hin zum Höheren, den sogenannten Vierfüßlern, kann er nicht akzeptieren. Zum Beispiel wegen der großen Gesten, beim „Sein oder Nichtsein“, die er dann gleich mal vorführt. Wahr oder nicht wahr - eins wird klar: auch im Puppenuniversum ist Toleranz und die Akzeptanz des Anderen keine Selbstverständlichkeit.

Sie hauen sich da schon einiges vom Knautsch- an den Holzkopf. Und umgekehrt. Der eine kann seine Finger nicht bewegen (und bekommt natürlich eine Fläschchen in dieselben gedrückt, damit das auch ja klar wird) und der andere kann zwar tatsächlich den Mund bewegen und Grimmassen schneiden - ihm fehlen aber die eigenen Beine, was vorzuführen („tritt doch mal zur Seite“), die Marionette dem „großen“ Kollegen auch nicht erspart.

Dass sich da trotzdem im Fundus, beim Gegenüberhängen, so etwas wie Puppenliebschaften entwickeln können, erfahren wir bei der Begegnung der hässlichen Puppe Herbert (im Colombo-Trenchcoat mit Fusselhaaren und einem wirklich nicht schönen Gesicht) mit der schmucken Puppendame der Sorte Vierfüßler (es geht dabei um die Zahl der Füße nebst der dazugehörigen Menschen, die es braucht, um diese Ganzkörpergeschöpfe zu führen).

Einer von den Spielern geht gleich am Anfang sogar zu Boden. Man schafft ihn beiseite und es bleibt nur eine Tatortzeichnung zurück. An diesem Abend soll es aber nicht um die Spieler gehen. Die kriegen ja unterechterweise sowieso immer den ganzen Beifall ab. Sagen die Puppen. Mit den Stimmen ihrer Spieler versteht sich. Der (Bühnen-)Todesfall jedenfalls bleibt demonstrativ ungesühnt.

Es ist ja auch viel interessanter, etwas darüber zu erfahren, wie sich hässliche Puppen fühlen und was sie sich für abenteuerliche Storys ausdenken, warum sie so geraten sind. Ob sie neidisch aufeinander sind, ob sie sterben oder lieben können. Das letztere führen sie dann auch gleich mal - mit drastischer F-Wortwahl garniert - auf offener Bühne vor.

Den Beifall bekommen die Spieler

Nach den wie im Fluge vergangenen knappen anderthalb Stunden hat sich bestätigt, was wir schon immer geahnt haben: So eine Puppe steckt in einem existenziellen Dilemma. Wie alle Künstler. Denn am Ende sind es dann doch wieder „nur“ Katharina Kummer, Sylvia Werner, Nils Dreschke, Sebastian Fortak, Lars Frank und das Regieteam, die den Beifall einheimsen. Während die Puppen leblos daliegen und darauf warten, in den Fundus gesteckt zu werden. Wir haben jetzt aber die tröstliche Gewissheit, dass es da keineswegs so langweilig ist, wie wir bisher immer gedacht haben.

Nächste Vorstellungen: Dienstag und am 30.5. jeweils 20.30 Uhr