Punks in Mitteldeutschland Punks in Mitteldeutschland: Irokesen im Arbeiterstaat
Halle/MZ. - Erst als ein Jugendmagazin einen warnenden Bericht über die neueste Unkultur im Reich des faulenden Kapitalismus veröffentlichte, kam der Punk in der DDR-Provinz an. Ab 1979 waren die im Staatsdeutsch kantig "Panker" genannten Jugendlichen dann beargwöhnter Bestandteil der Jugendkultur, wie Mark M. Westhusen in seinem Buch "Zonenpunkprovinz" schreibt, das jetzt vom Verein Zeit-Geschichten veröffentlicht wurde.
Ein Buch, in dem Westhusen ein Stück eigener Geschichte aufschreibt. Jahrelang war der Hallenser Teil der Punk-Szene an der Saale, hautnah hat er Benachteiligungen erlebt. Dennoch ist sein Bändchen, für das er mit Zeitzeugen wie Harty Sachse gesprochen und dicke Stasi-Akten ausgewertet hat, keine Jammerbibel geworden.
Wer seine Haare zwischen Jena, Halle und Erfurt zum Irokesenkamm stylte, wusste, dass Polizei und MfS ab sofort keinen Spaß mehr verstehen werden. Gerade das war ja der Spaß, wie die dem Buch beigelegte CD mit O-Tönen belegt: Aus dem Einheitsbrei zu gucken, anders zu tanzen und an anderen Orten zu feiern.
In Halle bot vor allem die Christuskirche Raum für Konzerte - 1983 fand hier auch das erste Punk-Festival der DDR statt. Zu dieser Zeit war die Zuständigkeit für die als "feindlich-negative" Szene bereits an die Stasi übergegangen.
Eine Szene, die die Tschekisten nicht verstanden, wie Dokumente belegen, die Westhusen ausgrub. "Eine Richtung der Punkerbewegung", heißt es über die linke Subkultur, "identifiziert sich mit der faschistischen Ideologie". Misstrauisch schlichen Stasi-Offiziere in Schulen, um Spitzel zu werben. Doch immer mehr Bands gründeten sich auch in Halle, zu Partys reisten Gleichgesinnte von überall her an. Harty Sachses bis heute aktive Band Müllstation träumte vom "Pogo im VPKA" (Volkspolizeikreisamt), Schleimkeim sangen "Anarchie ist nicht totzukriegen".
Erst 1989 entdeckte die Führung des Jugendverbandes die Unbotmäßigen als Dialogpartner: FDJ-Chef Eberhard Aurich wagte sich in einen Jugendklub in der halleschen Silberhöhe, den die Stasi bis dahin als Treff "anarchieverherrlichender Panker" beobachtet hatte. Aber es war zu spät. Auch der Punk konnte die DDR nicht mehr retten.
"Zonenpunkprovinz", Mark M. Westhusen, 5 Euro, Bestellung:
[email protected] oder 0345-2036040