Draufgänger mit Herz Punkband Feine Sahne Fischfilet kommt Ende August nach Ferropolis

Halle (Saale) - Als Anfang des Jahres das fünfte Feine Sahne Fischfilet-Album „Sturm & Dreck“ herauskam, war die Erfolgsspur für die Musiker aus Mecklenburg-Vorpommern schon erkennbar. Und dann ging es mit Überschallgeschwindigkeit auf die Bühnen Deutschlands.
Die Ankündigung eines Konzertes von Sänger Jan „Monchi“ Gorkow, Christoph Sell und Jacobus North, die zusammen mit Max Bobzin, Kai Irrgang und Olaf Ney alle um die 30 Jahre jung sind, ist heute zuverlässig mit dem Signum „Ausverkauft“ versehen. Warum?
Ende Juli, die Band spielte auf der Parkbühne im Leipziger Clara Zetkin-Park, erlebte man Anschauliches. Im Zusammenspiel mit dem rauflustigen Tanzen der Fans entfaltete das Konzert eine unerbitterliche Wucht, die man auch bei Gruppen wie den Böhsen Onkelz erleben kann.
Nur gibt es hier Sauf- und Partylieder, Heimat- und Kampfsongs, einen melodiösen Punkrock mit zwei Trompeten, der anders polarisiert.
In Leipzig gab es Trinkbecher mit der so selbstironischen Aufschrift „Antifaschistische Bierzeltmusik“, gesungen wird auch von der ländlichen Tristesse. Man hörte „Nazis raus“-Chöre, die Gorkow so kommentierte: „Ihr sollt euch nicht nur im Internet einen abwichsen, sondern raus auf die Straße, vor allem in die Provinz, gehen.
Klare Botschaften von Feine Sahne Fischfilet
Gorkow erinnerte an die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss und ihren Vater, den Jenaer Pfarrer Lothar König, denen auf einem Neonazi-Album der Tod angedroht wird. Gorkow kennt das auch. Also hat die Band das Dilemma der Protestsongs auf ihre eigene Art gelöst.
Sprach der Komponist Hanns Eisler noch davon, dass eine Überpolitisierung der Kunst zur Barbarei in der Ästhetik führe, pulverisiert die Energie der Fischfilet-Fans rein künstlerische Maßstäbe zur Nebensache.
Vor der Gegenwart mutieren die eindeutigen Songs, Botschaften und Initiativen der Band zu einer Art Arche Noah, deren Insassen sich nicht nur geistige Bestätigung, sondern auch körperlichen Schutz versprechen. So fand Anfang August das dritte „Wasted in Jarmen“-Festival statt, es ist nur eine der regelmäßigen politischen Veranstaltungen, die Feine Sahne Fischfilet in die Kleinstädte und Dörfer ihres Heimatlandes bringen.
Feine Sahne Fischfilet engagieren sich auch politisch
Verändern statt resignieren: 2016 wurde die AfD mit 20,8 Prozent zweitstärkste Kraft im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns.
Wenn der Draufgänger Gorkow mit der ganzen Kraft seines beleibten Körpers von der Bühne aus Bier in die Menge spukt, wenn er das Konzert unterbricht, weil er sich um einen verletzten Fan kümmert, scheint die Band fernab von Starallüren. Die Jungs von nebenan, in Muskelshirts und kurzen 80er-Jahre-Hosen.
In Leipzig landete ein Zuschauer, von Armen getragen, direkt auf der Bühne, Gorkow knallte diesen Satz in die ekstatische Menge: „Alter, is das bescheuert: Der hat ’nen Fischfilet-Tattoo!“
Tabubrüche, gelegentliche Vereinfachungen und Eskapismen des Rock ’n’ Roll, zelebriert mit nackten Oberkörpern, die durchs idealisierte Schönheitsraster rauschen, und gefeiert mit Vulgärsprache und einem riesigen Schnapstank, dessen Schlauch ins Publikum gehalten wird, erreichen vor allem, aber nicht nur, Gleichaltrige - aus allen sozialen Schichten!
Doku über die Band machte Feine Sahne Fischfilet weiter bekannt
Wer sich jener ostdeutschen Generation nähern will, die in den Jahren des Umbruchs nach 1989 in ihre Pubertät hineinwuchs, kann auch gewinnbringend zum Dokumentarfilm „Wildes Herz“ greifen.
Hier gibt der Schauspieler Charly Hübner („Polizeiruf 110“ aus Rostock) sein Regiedebüt, bekommt man Einblicke in die Verhältnisse nach 89. Die Unsicherheiten der Eltern prägten viele Jahrgänge ab 1980, Radikalisierungen folgten.
Hübner fokussiert sich im Film auf Gorkow. „Diese innere Klarheit und Absolutheit ist das Quentchen, das mir in Begegnungen und Erfahrungen im nicht-beruflichen Alltag oft fehlt“, so Hübner. Gorkow, der frühere Ultra aus der Hansa-Rostock-Fankurve: Saufen, Randale, Hooligans.
Während die Ostsee-Gegend zum Touristenzentrum wurde, kursierten an den Schulen Landser-Heftchen. Gruppen wie „Die Ärzte“ zeigten aber, dass man ohnmächtige Kraft auch anders bewältigen kann, Gorkow wird zum Antifaschisten. 2007 schlug die Geburtsstunde der Schülerband Feine Sahne Fischfilet, später folgten Verfassungsschutzberichte über sie.
„Wildes Herz“ zeigt die Wurzeln von "Feine Sahne Fischfilet"
Hübner zeigt in „Wildes Herz“ die protestantischen Familienwurzeln, die schon in der DDR zum Widerstand animierten. „Wenn man Gorkow kennenlernt, erfährt man, dass diese Wurzeln die sind, die in der Wiege waren.
Das andere, der Hool, der Antifa, der Sänger, der Einheizer, der Monchi: Das ist die Summe seiner selbst und der Umstände außerhalb seines Elternhauses, die ihn zu diesem herrlich ambivalenten Zeitgenossen machen.“
Am 31. August ist Feine Sahne Fischfilet in Ferropolis, neben Wanda und Attaque 77, eine der Vorbands für den Auftritt der Toten Hosen. (mz)