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Punk-Musik Punk-Musik: Ein Tanz unter dem Pleitegeier-Skelett

Von Michael Blochwitz 12.05.2005, 16:42

Magdeburg/MZ. - Die Menge tobt, klatscht und grölt. Fahnen wehen. Dabei hat das Konzert der Toten Hosen in der nahezu ausverkauften Magdeburger Bördelandhalle noch gar nicht begonnen, Campino und Co. sind noch nicht einmal auf der Bühne zu sehen. Doch schon die Vorband ZSK aus Göttingen und die Konserven-Musik in der anschließenden Umbaupause sorgen für Volksfest-Stimmung.

Auf Leinwänden am Bühnenrand prangt der skelettierte Bundesadler mit dem Spruch "Bis zum bitteren Ende" - Markenzeichen der Toten Hosen und derzeit wohl so aktuell wie nie zuvor. Die Düsseldorfer Rocker eröffnen mit "Hier kommt Alex", dann folgt Hit auf Hit. Fast alle Lieder werden vom Publikum mit geschrien. Vielleicht sollten im Deutschunterricht eher Songtexte der Toten Hosen rezitiert und diskutiert werden, um junge Menschen für Sprache zu begeistern. Wenn tausende Kehlen brüllen "Ich will nicht in's Paradies, wenn der Weg dorthin so schwierig ist", könnte dies lustig sein - ist aber offenbar nicht so gemeint.

In den 80er Jahren als Punkband gestartet, sind die Toten Hosen heute Konsens quer durch Generationen und Gesellschaft. Zampano Campino kann in Talkshows den kultivierten Gesprächspartner ebenso überzeugend geben wie den Posen-Rocker auf der Bühne.

Die kleinen Kinderpunks sind von der Vorgänger-Generation kaum zu unterscheiden. Sogar der aufwändige Irokesen-Haarschnitt wird weiterhin kultiviert. Den Alt-Rockern und Oldschool-Punks ist das Styling hingegen meist nicht so wichtig. Bier und Bauch gehören hier offensichtlich zusammen.

Während die Kids dicht gedrängt vor der Bühne hüpfen, singen und schwitzen (manchmal humpelt einer hinaus), verfolgen die reiferen Semester das Geschehen lieber sitzend von der Tribüne. Seines Hemdes entledigt sich Campino bereits am Anfang, sein Achsel-Shirt ist auch bald durchnässt - sein athletischer Körper lässt vermuten, dass das Rockstar-Leben so ungesund nicht sein kann. Alles ist wohl eine Frage der richtigen Einstellung: "Niemals Slibowitz und Grappa miteinander mischen", rät er.

Die jahrzehntelange Begeisterung für die Hosen ist intellektuell kaum zu erklären: Campino kann nicht singen, die Texte sind nach dem Schema "Friss oder stirb" strukturiert und eigentlich klangen mindestens die letzten sechs Alben ziemlich ähnlich. Aber vielleicht liegt ja gerade darin das Geheimnis des Erfolges. Der Anblick der wogenden Menge, die wehenden Fahnen und mitgesungenen Parolen vermitteln eine Ahnung von den ungeheuren Energien der Hosen.

"In Rostock war die Stimmung besser" sagt Campino nach einer kurzen Zugabe und verschwindet. Die Meute buht. "Das ist ein alter Trick, den ich mir von Rex Gildo abgeschaut habe", feixt er - und spielt weiter und weiter. Im Herbst wollen sie übrigens eine Südamerika-Tour antreten, weil die Band dort noch populärer als in Deutschland ist. Südamerikaner sollen ja viel Gefühl für Musik haben.

Am 6. August gastieren die Toten Hosen in Ferropolis bei Gräfenhainichen.