Psychologie Psychologie: «Ich kann die Hoffnung nicht aufgeben»

Hamburg/dpa. - Am 23. März 1900 als Sohn eines orthodox-jüdischen Weinhändlersgeboren, wuchs Erich Fromm als behütetes Einzelkind in Frankfurt auf.Er studierte zunächst Psychologie, Philosophie und Soziologie,promovierte 1922 bei Max Webers Bruder Alfred und begann anschließendein Medizinstudium, das er mit einer psychoanalytischen Ausbildungabschloss.
Max Horkheimer, mit dem er bis zum Bruch 1939 freundschaftlichverbunden war, holte ihn bald als Privatdozent in sein legendäresFrankfurter «Institut für Sozialforschung», doch bereits im Sommer1931 zwang ihn eine Tuberkulose-Erkrankung, für drei Jahre nach Davoszu ziehen. Es waren, wie Fromms Nachlassverwalter und Schüler, derTübinger Psychoanalytiker Rainer Funk, betont, seine «schlimmstenLeidensjahre», zumal er nach Hitlers Machtergreifung - als Judewie als Marxist gleichermaßen in Gefahr - nicht mehr nach Deutschlandzurückkehren konnte.
Fromm emigrierte 1934 in die USA, bekleidete dort mehrereProfessuren und wechselte 1951 schließlich an die Universität vonMexiko. Seit 1965 hatte der 1940 naturalisierte US-Bürger auch einenfesten Wohnsitz bei Locarno in der Schweiz. Dorthin übersiedelte er1974 gemeinsam mit seiner dritten Frau Annis Freeman endgültig. Erblieb dort bis zu seinem Tod 1980.
Fromm selbst sah sich als einen Humanisten, der auch im hohen Alter«die Hoffnung nicht aufgeben» wollte, dass sich die Menschen bessernkönnten. Eine seiner großen Leistungen war es, das Individuum in dengesellschaftlichen Kontext zu stellen und «die Spaltung zwischen Herzund Hirn» zu überwinden, die er als das Resultat des «selbstsüchtigenMaterialismus» der modernen Gesellschaft begriff. So warnte er immerwieder vor krank machenden Lebensbedingungen, in denen der Mensch zur«Ware» herabgewürdigt werde, und forderte eine neueGesellschaftsform, die nicht länger den Profit, sondern den Menschenin den Mittelpunkt stellen sollte.
Anfangs eng mit der Lehre Sigmund Freuds verbunden, gab erschließlich dessen Triebtheorie auf, um die Psychoanalyse mit denmarxistischen Ideen zu verbinden und mit Impulsen aus dem jüdischenKulturkreis zu nähren. «Wir Psychoanalytiker der zweiten Generation»,sagte Fromm einmal, «stehen auf Freuds Schultern - und darum sehenwir weiter.»
Im Gegensatz zu den Kollegen in Horkheimers Institut in Frankfurtverstand es Fromm, selbst hoch differenzierte Theorien inverständliche Sprache zu kleiden. Nicht zuletzt deshalb war vielenseiner rund 40 Werke ein enormer Erfolg beschieden. «Die Kunst desLiebens» erreichte bis heute weltweit eine Auflage von 25 MillionenExemplaren. «Haben und Sein» ging nach Angaben Funks allein inDeutschland rund zwei Millionen mal über den Ladentisch.
Als eines seiner bedeutendsten Bücher aber gilt das 1941veröffentlichte Werk «Furcht vor der Freiheit», in dem Fromm sowohldas Phänomen des Nationalsozialismus analysiert als auch seine Ideendes «autoritären Charakters» zusammenfasst. Allerdings bleibt in derFachwelt umstritten, wie groß Fromms Anteil an dessen Entdeckung undan der «Kritischen Theorie» der Frankfurter Schule war.