Pop Pop: Erste schwule Boyband schnappt sich Mikrofon
Hamburg/dpa. - Ob bei Take That, den Backstreet Boys oder 'N Sync: Ein schwules Publikum hatten Boybands schon immer. Nicht nur Mädchen, sondern auch manche Männer können sich schließlich für hübsche Jungs und Popmusik begeistern. Nun hat die Branche nach dem Erfolg der Casting-Bands No Angels und Bro'Sis weiter gedacht: Marilyn's Boys heißt die wohl erste deutsche Boygroup, die aus offen homosexuellen Sängern besteht. Bevor ihre Karriere richtig beginnt, ist die PR-Maschine bereits kräftig in Gang.
Reicht allein clever vermarktetes Schwulsein zum Erfolg aus, oder muss die Band mit musikalischen Fähigkeiten überzeugen? Nach Meinung von Stefan Mielchen, Redakteur beim Hamburger Männer-Magazin «Hinnerk», ist der Boygroup-Boom eigentlich vorbei. «Insofern ist es vielleicht gerade richtig, nochmal auf das Label "schwul" zu setzen.» Die Szene-Presse beobachte die Marilyn's Boys mit gemischten Gefühlen, was ihn nicht wundere. «Hier neigt man ja gerne zu zickigen Abschätzigkeiten.» Singen könnten die Jungs allerdings.
Und sie sehen aus, wie man es von den kommerziellen Casting- Formationen kennt: Fünf geschniegelte, durchtrainierte Multi-Kulti- Twens, die Männern wie Frauen gefallen wollen. Rico ist gelernter Friseur und «Fashionvictim», Andrim ist ein «Energiebündel» und macht Krafttraining. Jeremy kommt aus London, war früher bei der Lufthansa und «liebt die feinen Dinge des Lebens, besonders guten Wein». Ruan hat seine Wurzeln in Sri Lanka und Yves wäre fast für Luxemburg beim Grand-Prix-Schlagerwettbewerb angetreten.
Die Fünf haben sich im vergangenen Sommer beim Casting bei Szene- Veranstaltungen gegen etwa 1000 Bewerber durchgesetzt. Ausgewählt wurden sie unter anderem von Juroren aus der Casting-Sendung «Popstars» - und sind «unglaublich professionell und ernsthaft bei der Sache», wie ihr Produzent Swen Gutknecht sagt. Ihr erster Song «I Give You The Stars» erscheint am 6. Januar und wird von der Plattenfirma Edel Records als «gleichermaßen tanzbar wie radiotauglich» angepriesen.
Stefan Mielchen hält das Discostück aber für «eine durchschnittliche Popnummer» ohne Aussichten auf den ganz großen Durchbruch - wie zum Beispiel bei Take That. Die Band hat auch noch lange nach ihrer Auflösung viele homosexuelle Fans. Das weiß auch Ex- Take-That Robbie Williams, der öfter mit vermeintlichen Outings auf der Bühne von sich reden macht. Gleichwohl machen einschlägige Beweisfotos in der Boulevardpresse die Runde: Robbie ist offen hetero.
Wie groß die potenzielle Fangemeinde der Marilyn's Boys wirklich ist, lässt sich kaum sagen. Schätzungen zufolge soll es in Deutschland zwischen einer und acht Millionen schwule Männer geben. Constantin von der Mühle, der sich um das Management der Band kümmert, glaubt aber, dass die Boys «Bravo»-kompatibel sind und bei Mädchen ebenfalls gut ankommen. «Vielleicht ist ja auch der Reiz, dass sie unantastbar sind.»
Das Berliner Szene-Magazin «Sergej» hat da noch eine andere Theorie: «Es ist egal, ob die Mitglieder schwul oder hetero sind, nur gut aussehen müssen sie und keine Hasstiraden verbreiten, im besten Falle noch etwas singen und tanzen können.» Ob die Marilyn's Boys den Ansprüchen gerecht werden, ist in der Redaktion umstritten. «Einig sind wir uns, dass ihr Name eher nach Federboa und Strass klingt als nach knackigen Jeans und Drei-Tage-Bart. Da regen Namen wie Take That oder Backstreet Boys die Fantasie eines schwulen Mannes schon eher an - und verführen ihn zum Kauf der Musik.»