Politische Meisterleistung Politische Meisterleistung: 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden

Augsburg/dpa. - Mit einer Ausstellungs-Eröffnung zu dem Jubiläum beginnen amMittwoch (15. Juni) in Augsburg die umfassenden Feierlichkeiten.Bundespräsident Horst Köhler wird zum Jahrestag derVertragsschließung am 25. September zur zentralen Festveranstaltungin die Fuggerstadt kommen.
Dieses Vertragswerk von 1555 regelte zum ersten Mal dauerhaft dasgleichberechtigte konfessionelle Zusammenleben beider christlicherGlaubensgemeinschaften, ohne die umstrittene Frage nach dem «wahrenGlauben» zu entscheiden. «Nicht Theologen haben damals eine Lösunggefunden, sondern Politiker war es gelungen, ein eigentlichunlösbares Problem zu regeln, eine unwahrscheinliche Leistung», sobewertet der Augsburger Historiker Professor Johannes Burkhardt dasZustandekommen des Augsburger Religionsfrieden.
«Es war das erste Mal, dass für eine weltanschaulicheUnstimmigkeit eine politisch-rechtliche Lösung ohne Gewaltanwendunggefunden wurde.» Der Religionsfriede war zunächst der Beginn einesstaatlichen Zwangskirchentums. Jeder deutsche Landesherr konnte von1555 an für sich und seine Untertanen die Glaubenszugehörigkeit(«cuius regio, eius religio»: In wessen Gebiet ich lebe, dessenReligion muss ich annehmen) verpflichtend festlegen. Wer dem nichtfolgen wollte, konnte auf Grund eines Auswanderungsrechtes (iusemigrandi) das Territorium des Landesherren mit Eigentumsgarantiefrei verlassen. Burkhardt: «Viele Historiker sehen darin heute dieerste Deklaration eines Menschenrechts.»
Der Augsburger Religionsfriede brachte dem Heiligen RömischenReich Deutscher Nation über 60 Jahre Frieden. In dieser Zeit wurdenauf deutschem Territorium keine Religionskriege mehr ausgetragen,während in anderen Teilen Europas die religiösen Auseinandersetzungenblutig weitergingen.
1517 hatte in Deutschland die Reformation mit Martin LuthersThesen begonnen. Ein Jahr später sollte er sich in Augsburg aufpäpstliche Anordnung einem Verhör unterziehen. Dem gefordertenWiderruf seiner Thesen entzog sich Luther durch Flucht. Dieaufgestauten Spannungen zwischen evangelischen und KatholischenReichsfürsten sowie dem Kaiser führten zu einem konfessionellenBürgerkrieg, den die Lutheraner zunächst gewinnen konnten.
Doch gut 20 Jahre später siegte Kaiser Karl V. (1500-1558) imSchmalkaldischen Krieg 1546/47 gegen die protestantischen Fürsten.Diese konnten aber bei einem Kriegszug 1552 nach Innsbruck Karl V.zur Flucht und Abdankung zwingen. Sein Bruder und NachfolgerFerdinand I. (1503-1564) begann mit den Reichsfürsten zu verhandeln,am Ende stand der Religionsfriede auf dem Reichstag zu Augsburg 1555.
«Diese politische Verfassungslösung in Augsburg war der Weg in dieRechtsstaatlichkeit», bewertet Professor Burkhardt heute den Vertrag.Der politisch-rechtlich hergestellte Friede war der erste wichtigeSchritt zur Toleranz. Lange Zeit war das Augsburger Vertragswerk vorallem von den Katholiken als «Verlust der Religionseinheit» undAnerkennung der Glaubensspaltung betrachtet worden. Heute gilt derAugsburger Religionsfriede als Grundlage einer moderneninterkulturellen Toleranz, der «gelebten Vielfalt ohneGewaltanwendung».