Peter Sodann Peter Sodann : Von Herzen unbeugsam

Staucha/Halle (Saale) - Was hat er nicht schon für Etiketten getragen: Ein Macher ist er genannt worden. Ein Querdenker. Grantler. Sturschädel. Filou? Bestimmt auch das. Er hat das alles gleichmütig oder auch zornig gehört und war schon beim nächsten Projekt. Zorn gehört jedenfalls auch zu seinem Repertoire, in allen Ausprägungen. Der heilige Zorn auf die Verhältnisse, die Menschen ungleich und unfrei machen. Und der kleine Zorn auf Mitbürger, über die er sich geärgert hat. Zu Recht oder nicht - das entscheidet Peter Sodann später. Er kann sich aber auch korrigieren, wenn er ungerecht war. Das fällt einem stolzen Manne wie er einer ist, allerdings nicht leicht.
Unerschüttert im Glauben
Was soll man Peter Sodann sagen zu seinem 80. Geburtstag? Weiter so, bleib’, wie Du bist? Das wäre banal und auch überflüssig. Denn natürlich bleibt er, der er war. In dieser Frage entspricht der Schauspieler und Büchersammler Sodann ganz und gar dem Durchschnitt der Bevölkerung. Gewiss auch in seiner Neigung, dem Leben das Schöne abzugewinnen.
Aber eben nicht nur beim Bier nach getaner Arbeit, sondern unerschüttert im Glauben daran, dass man dem Volk, dem großen Lümmel, von dem Heine sprach, doch dabei helfen könnte, ein bisschen klüger, ein bisschen empfindsamer zu werden. Und wenn es wenigstens für ein Buch oder für zehn Minuten Aufmerksamkeit reichte im Sodann-Theater mit der Lampensammlung an der Decke - in Staucha in Sachsen, in der lieblichen Lommatzscher Pflege.
Architekt der Kulturinsel
Dorthin ist Peter Sodann mit seiner Frau gezogen und hat sich wieder einmal eine gewaltige Aufgabe auf den Hals geladen. Wie damals in Halle schon, als er 1981 aus dem Landestheater auszog, um nicht nur sein eigenes Schauspiel - nein, gleich eine ganze Kulturinsel zu bauen. Mit Lese-Café, gemütlicher Kneipe und Galerie, einem schönen, umbauten Hof und Zimmern für Gäste, die am Hause gastieren.
Das gibt es alles immer noch, am Mittwochabend richtet die Stadt ihrem Ehrenbürger dort, im Theatersaal, ein großes Fest aus. Nur das Modell der Kulturinsel, liebevoll aus Sperrholz gesägt und zusammengebastelt, hat keinen Platz mehr gefunden.
Büchernarr in Oschatz
Nun steht es in Oschatz, wo der Büchernarr Sodann in einem weitläufigen, etwas verödeten Gewerbehof ein stabiles Lager voller Bücher betreibt, die noch auf den Umzug ins nahe Staucha warten. Zigtausende, säuberlich auf Paletten gestapelt, dazu Schallplatten - von den Beatles bis Beethoven ist alles dabei, was die DDR hergab.
Nein, ein Messi ist Peter Sodann nicht. Das war ihm in Halle hinter vorgehaltener Hand nachgeredet worden, nachdem er begonnen hatte, seine DDR-Bibliothek aufzubauen. Peter-Sodann-Bibliothek heißt sie nun und ist wohlsortiert in Regalen, die nach Kilometern gemessen werden müssen.
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Schöne, schlichte Metallregale, die Sodann in der Deutschen Bücherei aufgetrieben hat, wo sie ausgemustert worden waren. Geschenkt bekam er sie nicht, aber zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Die wüsten Gebirge aus Bananenkartons gehören jedenfalls der Vergangenheit an, von denen Sodann seinerzeit nach dem Aufruf, Bücher zu spenden für seine Bibliothek, schier erdrückt zu werden drohte.
Das war in Halle. Nun weisen Schilder in Staucha den Weg zu dem Haus, das einmal ein Kuhstall war und Sodann zugewachsen ist. Daneben die Scheune und das Wohnhaus, die er gekauft hat - für das Geld, das ihm sein nahe gelegenes Elternhaus eintrug.
Arbeiten und Leben
Sodanns Alterssitz ist ein Ort zum Arbeiten und Leben, anders will er sich das nicht vorstellen. Jüngst ist ein weiteres Haus hinzugekommen, das „Herberge zum guten Buch“ heißt. Man kann die Nähe zu Peter Sodann mieten.
Er ist natürlich so alt, wie er ist. Aber auch noch ganz bei seiner Sache. Wenn man ihn denn in einem knappen Satz beschreiben sollte: Peter Sodann ist von Herzen unbeugsam. Das heißt, er ist kein Besserwisser, der an allem zu nörgeln hat, sondern einer, der es oft wirklich besser weiß und mit den Verhältnissen hadert, die er gern verbessert sähe.
So hat er in seinen besten Zeiten Theater gemacht, Christoph Heins „Ritter der Tafelrunde“ haben am Neuen Theater 1989 die Veränderung des Bestehenden für notwendig und unausweichlich erklärt. Eine Sternstunde war das, die allein das weniger Gelungene, das es auch gegeben hat, aufwiegt.
Er war Ehrlicher
Und in diesem, ganz und gar zugewandten Sinne, hat Sodann auch seinen „Tatort“-Kommissar Ehrlicher gespielt. Mit galligem Humor stiefelte der sächsische Columbo durch die aufblühenden Landschaften voller Untiefen. Kein Wunder, dass Die Linke darauf kam, den betenden Kommunisten, wie der parteilose Sodann sich selber nennt, 2009 als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten gegen den Amtsinhaber Horst Köhler ins Rennen zu schicken.
Gewonnen hat er die Wahl erwartungsgemäß nicht, aber er war ein Kandidat, der den Linken zumal im Westen einige Aufmerksamkeit verschafft hat. Über seine Audienz bei dem schließlich wiedergewählten Köhler runzelt Sodann indes immer noch die Stirn.
Sachsen sind helle
Angesprochen auf fehlende öffentliche Unterstützung von Einrichtungen wie seiner Bibliothek habe ihm Köhler geraten, sich nach einem potenten privaten Sponsor umzuschauen, sagt Sodann. Und lacht: Nichts leichter als das in Mitteldeutschland, wo den Leuten allenthalben das Geld aus den Taschen quillt...
Aber Sodann kommt irgendwie eben doch zum Ziel, die Sachsen sind helle, wie man an seinem Beispiel sieht. Er wirbt Spenden ein, mit wenigen Angestellten und wechselndem Personal, das aus öffentlichen Mitteln für eine Weile in Beschäftigung gehalten wird, managt er sein Bildungsprojekt in Staucha. Und träumt weiter von der Gleichheit unter den Menschen, große Zeugen ruft er dafür auf: „Wenn Du das ,Kommunistische Manifest‘ und die Bergpredigt nebeneinander legt, wirst Du sehen, wer da von wem abgeschrieben hat“, sagt Sodann. Wie kann die richtige Antwort nur lauten? Zehn Punkte für den Kandidaten!
Lesetour mit Brecht
Und weiter geht es mit Denksport: „Der Gewinn, der bleibt privat, / die Verluste kauft der Staat“ zitiert Sodann: „Tucholsky!“ 1930 in der „Weltbühne“ veröffentlicht, hat das Gedicht einen sarkastischen, bitterbösen Schluss: „Aber sollten sich die Massen / das mal nimmer bieten lassen, / ist der Ausweg längst bedacht: dann wird ein bisschen Krieg gemacht.“
Das wünscht sich Peter Sodann gewiss nicht. Er hat den Krieg ja noch erlebt. Und die großen Hoffnungen, die darauf folgten. Die Ideale, für man auch auf den Kopf gehauen werden kann. Im Leipziger Studentenkabarett „Rat der Spötter“, das er leitete, war Sodann frecher, als es die SED und ihre Stasi erlaubten. Dafür gab es Knast und mit dem Studieren war es, vorerst, auch vorbei.
Damit braucht Peter Sodann also keiner zu kommen: Dass er die DDR verherrlichte. Und was ist mit all seinen Plänen? Wenn er an seine Pläne denke, habe Fontane gesagt, finde er: „Was soll der Unsinn?“ Hier lächelt Sodann staatsmännisch-verschlagen: „Dem werde ich nicht folgen.“ Jetzt geht er erst einmal mit Brechts „Flüchtlingsgesprächen“ auf Lesetour.
Die Peter-Sodann-Bibliothek (mit Antiquariat) im Internet: www.psb-staucha.de