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Peter Maffay im MZ-Interview Peter Maffay im MZ-Interview: "Ich lebe in hohem Tempo"

Von Andreas Montag 26.10.2015, 07:22
Der Rockmusiker Peter Maffay kümmert sich mit seiner Stiftung um benachteiligte Kinder.
Der Rockmusiker Peter Maffay kümmert sich mit seiner Stiftung um benachteiligte Kinder. Ursula Düren/dpa Lizenz

Tutzing - Peter Maffay ist einer bekanntesten deutschen Rockmusiker. Seit Jahren engagiert sich der 1949 in Brasov (Rumänien) geborene Künstler mit seiner im Jahr 2000 gegründeten Stiftung für benachteiligte Kinder. In dieser Woche erscheint sein neues Album „Tabaluga. Es lebe die Freundschaft!“, der Vorverkauf für die Tournee läuft. Maffay - nach dem in Kronstadt (Rumänien) jüngst eine Schule benannt wurde - lebt und arbeitet in Tutzing am Starnberger See und auf Mallorca, wo er einen Biobauernhof betreibt. Mit Peter Maffay sprach Andreas Montag.

Herr Maffay, was macht Musik für Sie so besonders?

Maffay: Es sind die Emotionen. Ohne die geht nichts in der Musik. Ohne Emotionen erreicht man kein Herz und keinen Bauch. Und Musik ist auch ein Rückzugsgebiet. Man kann in sich kriechen und gesunden.

Das letzte Stück Ihres neuen Tabaluga-Albums ist ein altes Lied: „Ich wollte nie erwachsen sein“. Es handelt vom Wunsch, wie ein Kind zu fühlen. Das gilt immer noch?

Maffay: Absolut.

Sie singen das Lied gemeinsam mit Udo Lindenberg. Es heißt, Sie hätten einander nicht immer gemocht. Ist es mit Ihnen nun so wie mit dem eisigen Herrscher Arktos und dem kleinen Drachen Tabaluga, die sich am Ende versöhnen?

Maffay: (lacht) So hatte ich das noch nicht gesehen. Aber da ist etwas Wahres dran. Und ich hätte mir keinen besseren Partner für diesen Song vorstellen können als Udo. Erstens passen wir altersmäßig gut zusammen. Zweitens haben wir, wenn auch weit zurückliegend, mal Schwierigkeiten miteinander gehabt. Das ist nun eine schöne Auflösung.

Und eine Ermutigung für andere?

Maffay: Das Lied hat, wenn es von zwei älteren Herren gesungen wird, auch eine Ausstrahlung auf Jüngere. Wenn ich Tim Bendzko oder Johannes Oehrding sehe, die beide an dem Album mitgewirkt haben, dann denke ich, dass sie genauso wenig wie ich bereit sind, ihre Kindlichkeit zu verlieren. Da gibt es einen gemeinsamen Nenner. Wir sind alle Sandkastentypen geblieben.

Und die spielen nun gemeinsam ein Märchen.

Maffay: Klar, Tabaluga ist ein Spiel. Ein Märchen, ja. Aber es hat natürlich auch eine reale Bindung an die Arbeit meiner Stiftung. Und es spielt auch mit den kreativen Möglichkeiten. Da kommt ein Samy Deluxe und rappt. Das kann man alles machen mit Tabaluga.

Aber es klingt ja so, als sei das Spiel nun zu Ende?

Maffay: Das habe ich schon vor drei Jahren gesagt. Und dann habe ich noch mal von vorn begonnen.

Aber es gibt viele alte Lieder auf dem Album, die Geschichte wird noch einmal komplett erzählt.

Maffay: Nun, wenn wir es amerikanisch betreiben wollten à la „Dallas“, werden sich die Figuren irgendwann wieder in die Haare kriegen und der ganze Zirkus beginnt von Neuem.

Aber dass es nun weitergeht mit Tabaluga, hat ja auch andere, ernste Gründe. Die Stiftung braucht einen Ersatz für die Zeit, wenn ich nicht mehr als Galionsfigur zur Verfügung stehe. Das wird vielleicht in fünf, sechs Jahren der Fall sein - ich bin jetzt 66. Was machen wir dann mit den 1 200 Kindern, die jährlich zu uns kommen? Kollabiert die Stiftung?Damit das nicht geschieht, brauchen wir einen anderen Protagonisten. Und das ist Tabaluga. Also haben wir die Rechte zurückgekauft von der belgischen Firma Studio 100, die sie erworben hatte.

Die Rechte an Tabaluga gehören jetzt der Peter Maffay Stiftung?

Maffay: Nein, das ist nicht ganz richtig. Sie gehören mir - und damit doch der Stiftung. Ich kann mich selbst am besten kontrollieren, da kann nichts passieren.

Im Übrigen gehören mir die Rechte nicht ganz, sondern auch den anderen Urhebern - dem Zeichner Helme Heine und dem Autor Gregor Rottschalk. Aber die Auswertungsrechte, jedenfalls die meisten, habe ich privat zurückgekauft und stelle sie der Stiftung zur Verfügung. Wenn Sie so wollen, erkaufe ich mir die Freiheit, irgendwann mal fischen zu gehen. Oder etwas anderes Schönes zu tun.

Wenn Sie aufhören - wer managt dann die Studios und das Tabaluga-Projekt?

Maffay: Irgendeinen Wahnsinnigen wird es hoffentlich geben. Es gibt allerdings keinen, der so klein und so verrückt ist wie ich. Aber wir haben mehrere junge Akteure, die schon jetzt viel Arbeit übernehmen. Ich bin mir sicher, dass einige von denen weitermachen, auch mit anderen Künstlern. Die Studios können Studios bleiben und müssen nicht in Mucki-Buden umgewandelt werden.

Bei mir ist das ein bisschen anders, ich habe keinen Manager über mir. Ich entscheide für mich allein oder gemeinsam mit meinen Kumpels, mit denen ich seit Jahrzehnten zusammen bin.

Gut, wenn einer seine Dinge beizeiten ordnet. Aber es fällt schwer, sich Maffay als Rentner vorzustellen.

Maffay: Ich glaube nicht, dass es so weit kommt. Solange ich mich bewegen kann, werde ich Musik machen. Ich lebe nach wie vor in hohem Tempo, es gibt so viele neue Baustellen bei der Stiftung. Wir expandieren - wenn wir es jetzt nicht tun, gibt es keine Perspektive.

Was die Musik betrifft: Ich habe meinem zwölfjährigen Sohn, der ein Instrument spielen lernen will, gesagt, er soll üben. Am Anfang tut es ein bisschen weh, aber am Ende wird es Lust. Das will ich mir selber erhalten. Aber ich weiß nicht, ob ich in derselben Intensität weitermachen will. Es wäre doch schön, meinen Sohn statt wie bisher an fünf Tagen eben an 20 Tagen im Monat zu sehen und zu verfolgen, wie er sich entwickelt. Das geht im Moment leider nicht.

Das Musikgeschäft ist nicht leichter geworden.

Maffay: Nein. Die Erosion ist immens. Tonträger werden bei weitem nicht mehr so gut verkauft wie früher. Aber die Dinge schichten sich um, es gibt das Internet. Das Volumen des Geschäfts hat sich also nicht verändert, nur seine Konsistenz. Da muss man allerdings ein bisschen aufpassen, die richtigen Plattformen zu finden.

Und die Stiftung fordert viel Kraft?

Maffay: Zwei Drittel unserer Zeit wenden wir dafür auf, aber ich habe ein sehr gutes Gefühl dabei. Nehmen wir das Dorf in Rumänien. Wenn wir dort nicht für Infrastruktur, für Arbeitsplätze und medizinische Versorgung aufkommen, hat das Kinderprojekt keine Zukunft.

Jetzt haben wir die Projekte in Spanien, Deutschland und Rumänien. Ein Tabaluga-Haus in Rio, eines in Havanna kommt im nächsten jahr hinzu, das wir gemeinsam mit Partner betreiben. Es gibt so viele Kinder, die Hilfe brauchen. Wir werden mehr tun müssen.

Kehren wir zu Tabaluga zurück, dem Märchen. Da versöhnen sich zwei Erzfeinde - die Welt, auch Deutschland, sieht dagegen momentan oft eher hässlich aus.

Maffay: Es ist legitim, diese Parallele zu ziehen. Wir haben die Arbeit am neuen Tabaluga-Album allerdings begonnen, als die Dimension des Flüchtlingsdramas noch nicht absehbar war. Nun wissen wir das, kennen auch die Reaktionen. Die Themen liegen jetzt dicht beieinander. Sonst würden wir jetzt nur über eine schöne Geschichte zu reden haben. Jetzt bekommt sie einen tieferen Sinn.

Blicken wir nur nach Syrien. Für dieses Land sollten sich die Herren Obama und Putin doch mal etwas Gutes einfallen lassen. Sie müssen ja nicht gleich Freunde werden.

Sie haben jahrelang zugesehen.

Maffay: Dass Feinde oft nicht zueinander finden, liegt an den Lobbyisten, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Als sich Chruschtschow und Kennedy seinerzeit in der Kuba-Krise im letzten Moment geeinigt haben, war dies eine entscheidende persönliche Leistung von beiden. Es gibt eine große Sehnsucht der Menschen nach Frieden. Vielleicht kann eine Geschichte wie die von Tabaluga dazu beitragen, diese Sehnsucht zu stillen. So, wie wir es mit der Stiftung versuchen. 1 200 Kinder, die bei uns waren, gehen hinaus und erzählen, was ihnen gefallen hat. Die werden alle Parlamentäre.

Sie sind ein bisschen stolz darauf?

Maffay: Ich habe Probleme mit diesem Wort. Aber ich freue mich, dass das, was ich tue, was wir hier tun, einen gewissen Sinn erfüllt. Und in bin glücklich, 45 Jahre lang etwas tun zu können, das mir Spaß macht. Das ist auch ein Privileg. Aber Stolz? Wären wir jetzt unter uns Musikern, würde ich sagen: What the fuck is that?

Wenn Sie es sich aussuchen könnten, was zuletzt über Maffay geschrieben wird: Er war ein erfolgreicher Musiker, der sich gegen viele Widerstände durchgesetzt hat. Oder: Er war ein anständiger Mensch. Welcher Satz wäre ihnen lieber?

Maffay: Keiner. Udo Lindenberg hat einen viel besseren Satz, der mir, leicht abgewandelt, lieber wäre: Er hat sein Ding gemacht. Mehr muss auf dem Stein nicht stehen. Es gibt einen guten Spruch im Englischen dazu: Take it or leave it - wenn du es gut findest, ist es gut, wenn du es nicht gut findest, auch. Ich kann nicht anders Musik machen, als ich es tue. Ich werde meinen musikalischen Fingerabdruck nie verändern: Das bin ich.

Wie wichtig ist Erfolg für Sie?

Maffay: Es gibt Dinge, die mir wichtiger sind. Wenn mein Sohn etwas von meiner Haltung übernehmen wollte, wie ich von meinem Vater auch, dann hätte ich ein gutes Gefühl.

Kinder von Prominenten haben es ja nicht immer leicht.

Maffay: Das stimmt. Aber ich bin ja nicht nur Sänger, ich bin auch Bauer (lacht). Das relativiert die Sache schon wieder. Und meine Frau, die den Jungen mehr lenkt als ich, ist sehr bodenständig. Er ist ein sehr ernsthafter junger Mann, der schon vieles erlebt hat durch unsere Arbeit mit benachteiligten Kindern. Er beginnt bereits jetzt, sich zu positionieren. Ich wünsche mir jeden Tag, dass er diesen Weg nicht verlässt.

Noch einmal zu Tabaluga, Deutschland und den Flüchtlingen. Sie sind in Rumänien geboren worden und selbst ein Flüchtling gewesen. Wird die Solidarität gewinnen, die Bereitschaft zu teilen?

Maffay: Wir müssen lernen, ehrlich mit der Wirklichkeit umzugehen. Solidarität mit denen, die unsere Hilfe brauchen - das darf keine Frage sein. Aber es ist auch so, dass die Kapazität unseres Landes begrenzt ist. Eine Million Flüchtlinge werden wir aufnehmen können, bei zwei Millionen wird es kritisch - zumal, wenn man an den Nachzug der Angehörigen denkt. Wenn aber die Gesellschaft die Grenze ihrer Möglichkeiten erreicht, ist sie auch nicht mehr in der Lage zu helfen.

Was wäre also zu tun?

Maffay: Es gibt meiner Meinung nach nur eine Lösung. Wir müssen dort helfen, wo die Probleme entstehen. Das ist eine Aufgabe der Weltgemeinschaft. Wir werden unseren Globus global denken müssen: Korruption verhindern, Bildung schaffen, demokratische Strukturen stärken. Meine Freunde und ich gehen nach Rumänien und helfen dort.

Ich bin kein Schwarzmaler: Aber wenn wir es jetzt nicht lösen, werden wir alle verlieren. Und die künftigen Generationen auch. (mz)