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Paul Bartsch Paul Bartsch: Musiker und Schriftsteller, der eigentlich Hochschullehrer ist

Von Andreas Montag 02.06.2018, 11:32
Paul Bartsch in Aktion
Paul Bartsch in Aktion Bartsch&Band

Halle (Saale) - Die Zeiten standen auf Musik. Eindeutig. Musik bedeutete Freiheit. Auch im Arbeiter- und Bauernstaat. „Jeder spielte damals auf der Holzgitarre“, sagt der Liedermacher und Autor Paul Bartsch. Im Hauptberuf ist  der promovierte Mann als Hochschullehrer für Erziehungswissenschaften in Merseburg tätig. Und seine Aussage ist zwar eine poetische Übertreibung, aber im Grundsatz schon wahr.

Beatles oder Stones - das war damals, um das Jahr 1970, die wahre Frage der Epoche. Und dann gab es ja auch noch die Kinks mit ihrem unvergesslichen Heuler „Lola“, The Who, Cream, Jimi Hendrix. Und The Hollies. Letztere waren vielleicht nicht die innovativste Band, aber sie gefiel mit eingängigen Liedern.

Paul Bartsch: „Große Brüder werfen lange Schatten“

Auch Bartsch hat sie gemocht. Ebenso wie sein stark autobiografisch gefärbter Held Thomas, dessen Jugendjahre der Autor in der Erzählung „Große Brüder werfen lange Schatten“ schildert. Das Buch ist im Mitteldeutschen Verlag Halle erschienen und holt ein Lebensgefühl zurück, das viele von Bartschs Generationsgefährten teilen werden, den Verfasser dieses Beitrags ausdrücklich eingeschlossen.

Die Geschichte hat zwei erzählerische Vorzüge: Sie ist nicht nostalgisch. Und sie gewinnt durch eine feine Ironie, mit der sich der Autor zwar nicht von seinen Figuren distanziert, aber die notwendige Distanz zu ihnen hält, um sie und sich selbst vor Verklärung zu schützen.

Baul Bartsch: Trauer um Brian Jones

So beschreibt Bartsch in einer köstlichen Szene, wie Thomas und seine Freunde ihre Trauer um den von seinen Kollegen gefeuerten, nun toten Stones-Musiker Brian Jones angemessen zu verarbeiten versuchen, der in einem Swimmingpool ertrunken war, wie der Deutsche Soldatensender gemeldet hatte. Dessen  tägliche Sendungen verpasste man möglichst nicht, weil der Sender (der sich aus Ostberlin im Geheimauftrag der Nationalen Volksarmee der DDR an die Soldaten der Bundeswehr wandte) stets die neuesten Westhits spielte. Und den Zonenkindern eigentlich verboten war, was sie nicht sehr beeindruckt hat.

Nach der Todesnachricht  fuhren die jungen Leute zu einem Klassenkameraden, dessen Vater den Vorsitz einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft innehatte und über ein Wasserbecken im Garten verfügte. Sie versammelten sich eigens an diesem Ort, „um Brian so nah wie möglich zu sein“.

Paul Bartsch ist 1954 in Wernigerode am Harz geboren

Rührend oft, auch komisch und  dicht an den politischen Zeitereignissen jener Tage beschreibt Bartsch sein Personal: Die Pfarrerin, in deren Haus Thomas als Gast einlogiert wird. Die Staatsbürgerkundelehrerin mit ihren putzigen Diskussionsangeboten zu Themen, über die sowieso nicht zu diskutieren war. Und die provozierende Schulschönheit mit dem kürzesten Minirock aller Zeiten, in die sämtliche Jungen hoffnungslos verknallt waren.

Vieles an dieser Geschichte kommt einem sofort vertraut vor, vieles passt auf Bartschs Lebenslauf. Er ist 1954 in Wernigerode am Harz geboren worden und in Ströbeck, dem berühmten Schachdorf, aufgewachsen. Nach dem Willen des Vaters, der dort Lehrer war, hätte alles, aber bestimmt kein Musiker aus ihm werden sollen. Aber dann geriet er mit seinem Eintritt in die Erweiterte Oberschule eben in jenes Halberstädter Pfarrhaus, in dem ihn seine Eltern als Untermieter unterbrachten.

Paul Bartsch: Atheistische Lehrereltern

Bartsch findet es immer noch erstaunlich, dass seine atheistischen Lehrereltern das zugelassen haben. Dort, im Pfarrhaus, hat er sein Herz für die Musik entdeckt. Und ist überhaupt mit anderen Sichten auf die Welt konfrontiert worden, als sie ihm bis dahin begegnet waren. Mit Clemens, dem Pfarrer-Sohn, Wohngenossen und Klassenkameraden verband ihn schnell eine Freundschaft.

Schließlich selbst Lehrer geworden, hat Bartsch nicht in dem Beruf gearbeitet, sondern ist, aus gesundheitlichen Gründen für Schuldienst-untauglich erklärt, Anfang der 80er Jahre Berufsmusiker geworden. Zehn Jahre später, als sich alles wendete im Osten Deutschlands (und vieles beim Alten blieb), hat Bartsch mit der Band FAM sogar eine Langspielplatte herausgebracht. Sie kam freilich zur falschen Zeit für Ostmusik. So ist „Leben in der Stadt“, 1989/90 in Halle produziert, ein Insidertipp geblieben.

Ex-Renft-Musiker Christian Kunert zu Gast bei Paul Bartsch

Musiker ist der Wahl-Hallenser Bartsch geblieben, auch wenn er sein Brot inzwischen als Professor in Merseburg verdient. Sechs CDs hat er  mit seiner Band eingespielt, seit 15 Jahren sind sie nun zusammen. Das Jubiläum soll in der kommenden Woche zünftig gefeiert werden - mit gleich zwei Konzertabenden am 7. und 8. Juni in der halleschen Theatrale, zu denen sich  Paul Bartsch & Band Gäste eingeladen haben, darunter den früheren Renft-Musiker Christian „Kuno“ Kunert. An Gitarrenklang wird es  nicht fehlen.

Konzerte am 7. und 8. Juni um  19.30  bzw. 20.15 Uhr, Halle, Waisenhausring 2; Tickets zu 10 bzw. 12 Euro im halleschen Musikhaus Polyhymnia, Geiststraße, oder über Bartsch & Band: www.zirkustiger.de (mz)