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Patenschaften für österreichische Wörter

Von Miriam Bandar 31.12.2007, 10:31

Wien/dpa. - Nichts trennt Österreicher und Deutsche mehr als die gemeinsame Sprache. Diese Sprichwort versteht jeder deutsche Tourist spätestens dann, wenn er im Alpenland bei einem angebotenen «Sessel» auf einem harten Stuhl Platz nehmen muss und ihm im Restaurant schlichtes Brot für «Gebäck» verkauft wird.

Doch die Österreicher haben Angst vor dem Sprachimperialismus des großen Nachbarn: Mit der Aktion «Patenschaften für bedrohte Wörter» wollen einige Sprachfans Austrizismen wie das «Uijegerl» (Unglück) oder die «Ribiseln» (Johannisbeeren) vor der Verdrängung durch das Hochdeutsch retten.

«Durch die Medien wird das Österreichisch immer mehr eingedeutscht», sagt der Schriftsteller und Erfinder der Patenschaft- Aktion Robert Sedlaczek. Da Hochdeutsch in den Zeitungen, Fernsehsendern und in der Werbung dominiere, lernten immer weniger junge Menschen den Wortschatz ihrer Heimat. Seine Aktion - in der er Österreicher auffordert, Patenschaft für ein Wort zu übernehmen und dieses möglichst oft im Alltag zu verwenden - sei auf riesige Resonanz gestoßen. Auf seiner Internetseite haben Menschen bereits hunderte bedrohte Wörter von «Agraseln» (Stachelbeeren) bis zum «Zwutschkerl» (kleines Kind) angemeldet.

«Mich nervt manchmal, wenn ich in unserem Land einkaufen gehe und die Verkäuferin sagt zu mir: "Wollen Sie eine Tüte für Ihr Brötchen?" und mich dann mit "Tschüss" verabschiedet. Da neige ich dann dazu zu sagen: "Ich brauch ein Sackerl und ich will ein Semmerl - servas!"», zitiert der Autor auf seiner Homepage den Schauspieler Harald Krassnitzer. Eine Einsenderin stößt sich am Werbespruch einer internationalen Fast-Food-Kette «100 Prozent Kartoffeln aus Österreich». Erst mit 100 Prozent «Erdäpfel» wäre die Fritten- Botschaft wirklich im Alpenland angekommen.

«Die Bayern haben da noch ein größeres Selbstverständnis, als wir es je hatten», sagt die Direktorin des Instituts für Österreichische Dialekt- und Namenlexika, Ingeborg Geiyer. Beide Sprachvariationen hätten trotz einer politischen Grenze die selben Wurzeln. Doch auch die Österreicher würden sich in Zeiten der Globalisierung wieder vermehrt der Pflege des Regionalen und des heimatlichen Wortschatzes zuwenden. Als eine eigene Sprache will die Expertin das Österreichisch jedoch nicht bezeichnen, eher als eine «Variante des variantenreichen Deutschen».

Im Sender ORF hat diese Sprachvariante noch immer einen hohen Stellenwert. «Wir legen schon Wert darauf, dass man das Österreichische hört, es ist Teil unserer Identität», sagt Chefsprechers Herbert Dobrovolny. Letztendlich liege die Sprachwahl in der Verantwortung des Journalisten, aber ein Moderator aus Hamburg hätte mit seiner norddeutschen Sprachmelodie und Sprache hörbare Hürden beim ORF-Einstellungsgespräch zu überwinden.

Hort des österreichischen Sprachstolzes ist nach Angaben von Sedlaczek das Kulinarische: «Das liegt den Menschen am meisten am Herzen.» 23 Begriffe aus dem Küchenvokabular wie die «Paradeiser» (Tomaten) oder das «Faschierte» (Hackfleisch) ließ das Land bei seinem Beitritt zur Europäischen Union sogar per Vertrag schützen. «Trotzdem benutzen immer weniger Leute die richtigen Begriffe, es gilt halt als altmodisch», sagt die Gemüsehändlerin Gabriele Kuczera, die seit 35 Jahren unter anderem «Fisolen» (Bohnen) und «Vogerlsalat» (Feldsalat) auf dem Wiener Naschmarkt verkauft. Sie sei eine der wenigen Markthändlerinnen, die noch die österreichischen Begriffe auf ihre Schilder schreibe: «Aber bei neumodischen Shiitake-Pilze oder Rucola-Salat kann ich auch nichts ausrichten.»