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"Passion Zeitz - Arthur Jubelt Vision und Wirklichkeit" "Passion Zeitz - Arthur Jubelt Vision und Wirklichkeit": Zwischen allen Fronten

Von Günter Kowa 19.01.2016, 07:18
Gemeinsam auf Entdeckungstour: Oskar Prinz von Preußen (links) und Arthur Jubelt
Gemeinsam auf Entdeckungstour: Oskar Prinz von Preußen (links) und Arthur Jubelt Archiv/Hans-Joachim Richter Lizenz

Zeitz - Kaum ein Name aus der ferneren Zeitgeschichte ist in der einstigen Residenz-, Bürger- und Fabrikstadt Zeitz geeigneter, einen Streit um historische Wahrheit auszulösen als Arthur Jubelt (1894-1947). Es ist fraglich, ob sich das nach dem 366 Seiten starken, nicht billigen Hochglanzband ändert, den der Leipziger Autor und gebürtige Zeitzer Hans-Joachim Richter über seinen Landsmann, den Zeitungsverleger, Heimatforscher, Denkmalschützer, kurzzeitigen Oberbürgermeister und Buchenwald-Internierten im Eigenverlag vorgelegt hat, auch wenn er sich auf Archive und Zeitzeugen beruft.

Nicht genug damit, dass Jubelt als „posthumer Zeitzer Ehrenbürger“ – an sich schon eine strittige Angelegenheit – die Geister in der Frage scheidet, wie nah oder fern er als Mensch, Autor und Verleger der nationalsozialistischen Ideologie stand, gerät er als Opfer der kommunistischen Säuberungswelle nach 1945 zum Prüfstein des antifaschistischen Mythos der DDR. Jubelt muss schon deshalb ein Reizthema sein, weil er in selbiger DDR konsequent bis zum Ende totgeschwiegen wurde, und jegliche tiefer gehende Beschäftigung mit seiner Biografie auch die Frage aufwirft, auf welches Geschichtsbild die DDR gebaut war.

Hohe moralische Integrität

Richter ist angetreten, Jubelt zu rehabilitieren, mehr noch, ihn als einen Zeitzer Patrioten, als kultivierten Kenner der Geschichte und der Künste, als Mann der perfekten Umgangsformen und vor allem der moralischen Integrität darzustellen. Richter hat eine Mission, und die zieht sich durch das Buch von Anfang bis Ende. Er kämpft gegen die aus seiner Sicht falschen Unterstellungen, denen Jubelt vom Tag der kommunistischen Machtübernahme an ausgesetzt war und bis heute ausgesetzt ist. Diesen Faden greift Richter an vielen Stellen auf.

An den Lebensstationen Jubelts wird deutlich, wie zu den Fakten zwangsläufig auch die Interpretationen kommen müssen. Jubelt strahlte schon in Gestalt und Auftreten den preußischen Grandseigneur aus, war zugleich weltgewandt und heimatverwurzelt, von Geistesadel und zugleich ein Unternehmer mit sozialem Gewissen. Wenn schon äußerlich dieser Mann in keine Schublade passt, so auch nicht biografisch.

Das Zeitungs- und Verlagshaus hatte sein Vater Reinhold gegründet. Seit 1900 erschienen die „Zeitzer Neuesten Nachrichten“. Laut Richter prägten die parteilosen Jubelts „mit ihrer Haltung zu Gott, Kaiser und Vaterland die Stimmung ihrer Zeitung und trafen den Nerv vieler bürgerlicher Familien“. Ab 1919 bringt Jubelt Vater auch die Zeitschrift „Die Mark Zeitz“ heraus, Organ des von ihm geförderten Zeitzer Altertumsvereins. Auch dieses Druckerzeugnis stand für die Haltung des Verlagshauses „unser deutsches Denken und Fühlen“ zu bewahren. Über die national-konservative Herkunft und kaisertreue Haltung des Corpsstudenten Arthur Jubelt machte dieser auch später keinen Hehl. „Die Mark Zeitz“ gab Rassetheoretikern und Germanenkundlern ein Podium, somit, wie Richter sagt, „einer verbreiteten Stimmung der 20er Jahre“.

Es ist daraus nicht zu schließen, dass Jubelt Sohn unter den Vorzeichen der NS-Zeit diese Stimmung gefördert hätte. Sein eigenes verlegerisches Lieblingskind, das macht Richter deutlich, war die heimatkundliche Beilage „Unsre Heimat im Bild“. Heimatforschung war Herzensangelegenheit für Jubelt, und Hauptautor war er selbst. Schon sein wissenschaftliches Ethos hielt ihn von ideologischen Phrasen ab.

Soweit man Richter aus seinen Quellen folgen kann, war Jubelt Hitler vor 1933 zugeneigt, was einer wachsenden Verachtung wich. Er hielt die Zeitung aus der NS-Propaganda heraus, war aber zur Übernahme von Artikeln der Reichspressekammer gezwungen. Der Lokalteil dagegen schirmte sich hinter dem bewusst gewählten neuen Untertitel der Zeitung ab und war „Das Heimatblatt“, und eben keine Jubelpostille.

Den Untergang Jubelts und der Zeitung unter den Nachkriegsverhältnissen schildert Richter in erschütternden Details. Den neuen kommunistischen Machthabern war ein bürgerlicher Geist wie Jubelt ein Ärgernis. Doch seine Beseitigung kam einer Vernichtung gleich, des Verlags genauso wie des Menschen, seines Vermögens, seines Nachlasses, schließlich auch der Lebensgrundlage seiner Familie. Diese Tatsachen klar und schonungslos offengelegt zu haben, ist vielleicht der bedeutendste Beitrag des Buches zur verschütteten Biografie Jubelts.

In heiligem Zorn

Jedoch steht Richter seinem Anliegen dadurch im Weg, dass er es mit heiligem Zorn vorträgt. Die Nähe des Autors zu seinem Gegenstand ist biografisch bedingt und nicht ausreichend klargestellt. Hinzu kommt, dass Richter mit seinem Protagonisten auch einen Kampf gegen seinen Vater ausficht, den einstigen Stadtbaurat Max Richter, der mit seinen Abrissorgien mehrmals gegen Jubelt obsiegte, und Richter junior wiederum Anlass zur Kritik an der Zeitzer Nachwende-Stadtplanung bot. Das alles verstärkt in dem Buch den Ton eines moralischen Feldzugs.

Jubelts Stellung als Zeitungsverleger abseits von „Gleichschaltung“ fehlt der Vergleich mit der Zeitungsgeschichte der NS-Zeit. Es fehlt auch jede eingehende Analyse der Redaktionspolitik anhand von Autoren, Themen, Gewichtungen. Richter geht die heutigen Kritiker Jubelts frontal an, aber der Leser hat kaum die Möglichkeit, deren Standpunkte nachzuprüfen. Doch eines hat Richter erreicht: Jubelt vor der Nachwelt den Respekt wiederzugeben, den er als Mensch verdient hat.

Hans-Joachim Richter: „Passion Zeitz - Arthur Jubelt, Vision und Wirklichkeit“, Eigenverlag, 129 Euro. (mz)