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Österreich Österreich: Sexclub im Kunsttempel

24.02.2010, 06:39

Wien/dpa. - Die WienerSecession hat gemeinsam mit dem Schweizer Künstler Christoph Büchelunter dem Motto «Raum für Sexkultur» ein höchst pikantes undprovokantes Kunstprojekt organisiert, das in der österreichischenHauptstadt für gemischte Reaktionen sorgt. Kein Wunder:Partnertausch, kuschelige Separées, SM-Gerätschaften, Fesselgestelleund Gynäkologenstühle sind schließlich harter Tobak für Besucher, dieeigentlich nur Klimts Meisterwerk bestaunen wollten.

«Ich bin schockiert! Wo bin ich denn hier gelandet?», erregt sicheine ältere Touristin aus Rom und schüttelt den Kopf. «Ich glaube,das hat eher etwas mit unserem Alter zu tun», meint hingegen ihregleichaltrige Reisebegleiterin. «Junge Leute sehen sowas sicher mitanderen Augen.» Tatsächlich erfreute sich der Swingerclub «Element6»,der von den Besitzern eigens für die Schau für zwei Monate in dieSecession umgezogen ist, bereits am Eröffnungstag vergangenesWochenende regen Zulaufs. «Es waren über 100 Leute da, hauptsächlichStammgäste», sagt Michael H., der den Club seit zweieinhalb Jahrenbetreibt. «Und es gab schon richtig Action», fügt seine Frau Gabilächelnd hinzu.

«Nach dem ganzes medialen Rummel erwarten wir in den nächstenWochen aber ein gemischtes Publikum, darunter auch Leute, die schonimmer neugierig auf einen Swingerclub waren, aber sich jetzt wegendieser einmalige Location erstmals hineintrauen», erklärt derElement6-Besitzer. «Wir wollen ja auch von dem Schmuddelimage solcherSexclubs wegkommen, das viele in den Köpfen haben.» Vielmehr gehe esum Flirt und Erotik, um Phantasien und Frivolität.

Büchel, der selbst mehrere Wochen in Wien die Ausstellungvorbereitet hat, ist weltweit für seine Provokationen bekannt. Aberwas will er dem staunenden Publikum mit seinem neuesten Streicheigentlich sagen? «Ich denke, er wollte eine Verbindung zwischen demAufruhr, den es um die Jahrhundertwende um die sinnlich-erotischenBilder Klimts, Schieles und Kokoschkas gegeben hat, und der heutigenZeit herstellen», sagt Michael H. «Klimts Beethovenfries hat damalsschließlich einen Riesenskandal verursacht», sagtSecessions-Sprecherin Urte Schmitt-Ulms.

Als Reaktion auf den immer freier werdenden Umgang mit Sexualitäthatte sich 1905 sogar die «Gesellschaft zur Verbreitung der gutenSitten» gegründet, die den nackten Tatsachen in derJugendstil-Malerei ans Leder wollte. «Büchel will mit dem Swingerclubwohl so eine Situation wie damals wiederherstellen, und das erreichtman heute eben nicht mehr mit einem Bild», erklärt Gabi H.

Für Ärger hat der Installationskünstler bereits gesorgt. Vor allemdie rechte Partei FPÖ läuft seit Tagen Sturm gegen das Treiben in derSecession. «Gangbang-Partys und Domina-Kammern haben mit Kunst undKultur rein gar nichts zu tun», erzürnte sich der WienerKultursprecher Gerald Ebinger. Die FPÖ-Kultursprecherin HeidemarieUnterreiner sprach von einer «negativen Spirale von Nihilismus undPerversion».

Die meisten Kunstfreunde hingegen, die sich in diesen Tagenplötzlich zwischen den erotischen Wandgemälden des Wiener KünstlersRobert Krutisch in den Räumen des Swingerclubs wiederfinden,reagieren eher positiv. «Ich habe noch keinen negativen Kommentargehört», sagt eine Reporterin des österreichischen Rundfunks, dieBesucher vor der Secession interviewt.

Beim Eintreten sieht das Etablissement übrigens aus wie einnormaler Nachtclub mit Bar, DJ-Pult und schwarzen Ledersofas - wärenda nicht die kleinen Schlafzimmer mit Leopardenfell-Kissen, dievielen Kleenex-Boxen, der Whirlpool, die Sauna und derGynäkologenstuhl sowie das vielfältige Abendprogramm samt Stripshows,und Sex-Toy-Präsentationen. Neugierige und Swinger-Stammgäste könnennoch bis zum 18. April ihrer sexuellen Experimentierfreudigkeit imWiener Kunsttempel nachgehen - dann zieht Element6 wieder aus.