Oper Oper: Katharina Wagner überrascht mit «Holländer»

Würzburg/dpa. - Mit Spannung hatte die Fachwelt der ersten eigenständigen Arbeitder Wagner-Tochter, die als Thronfolgerin ihres Vaters am «GrünenHügel» in Bayreuth gehandelt wird, entgegen gesehen. Katharina Wagnerhätte es sich leicht machen können. In Würzburg erwartete siegewissermaßen ein Heimspiel, hatte sie doch der konservative Richard-Wagner-Verband an den Main geholt (und die Premierenvorstellungaufgekauft).
Doch die 24-Jährige ignorierte Konventionen und Erwartungen. Siezeigt den «Holländer» als den Triumph einer skrupellosen und brutalenMännerwelt, in der Liebe und Toleranz keine Chance haben. Und siefegt manches lieb gewonnene Bild von der Bühne: Da liegen keineSchiffe fest, nein, die Norweger, ein grober Haufen von Schlägern,hocken in einer schäbigen Spelunke zusammen, sie trinken Bier, geilensich an Sexheftchen auf und basteln allenfalls Papierschiffchen.Daland (Kristof Borisewitz) kommandiert sie als verschlagener,kraftmeiernder Fiesling.
Von Anfang an ist der Holländer (Ralf Lukas) präsent: EinFahndungsplakat mit seinem Bild hängt an der Wand. Katharina Wagnerzeichnet ihn als einen Verfolgten, einen Heimatlosen unserer Zeit.Daland erkennt sofort seine Not, verkauft ihm einen gefälschten Passund bietet ihm seine Tochter an, denn der Fremde hat Geld.
Zu Hause werden die Typen von ihren Mädchen erwartet, einerSchulklasse überdrehter Teenager mit blonden Perücken, auf derengrellbunten T-Shirts «Luder» oder «Schlampe» steht. Unter ihnen Senta(Joneva Kaylen), die gegen die strenge Lehrerin Mary (Daphne Becka)aufbegehrt. Doch gegen Erik (Gilbert Mata), einen gewalttätigenAufsteigertypen, und erst recht gegen den Vater hat sie keine Chance:Gegen ihren Willen zwingt er ihr die blonde Perücke auf und schminktsie als das Püppchen, das er in ihr sehen will.
Kurz nur kommen sich Senta und der melancholische Holländer näher,ehe die Katastrophe über sie hereinbricht. Dalands Schlägertruppefällt in einer beklemmenden Szene über die Fremden her (während derHolländer-Chor vom Band erklingt). Bedroht und eingeschüchtert sagtsich der Holländer von Senta los, höhnisch belacht von Erik. Doch esrettet ihn nicht, auch er wird erschlagen. Der Senta gönnt dieRegisseurin nicht einmal den Opfertod: Ihr Vater windet ihr dasMesser aus der Hand. Traumatisiert bleibt sie zurück, ihrem Milieukann sie nicht entkommen.
Katharina Wagner hat mit ihrem Debüt eindrucksvoll bewiesen, dasssie einen eigenen Blick auf das Werk des Urgroßvaters hat und dasssie ihre Ideen konsequent umzusetzen vermag. Dem Sängerensemble, dassich ordentlich schlägt, verlangte sie auch schauspielerisch einigesab. Respektabel schließlich die Leistung des PhilharmonischenOrchesters Würzburg unter der Leitung von Daniel Klajner.
«Ich wollte eine andere Sichtweise zeigen», sagte Katharina Wagnernach der Aufführung, als sie in roter Abendrobe aufgekratztGlückwünsche entgegen nahm. «Erstaunt» sei sie über die vehementenReaktionen des Publikums, aber auch erfreut: «Es ist wichtig, dasssich die Leute Gedanken machen. Ich kann auch die verstehen, diemeine Interpretation ablehnen.» Zu denen zählen ihre Elternjedenfalls nicht. «Wunderbar durchdacht und konsequent» fand MutterGudrun die Aufführung. Vater Wolfgang applaudierte begeistert,äußerte sich aber diplomatisch: «Ich sage nie nach nur einerAufführung, ob es mir gefallen hat. Wie jede Wagner-Inszenierungbeschäftigt mich auch diese.»