Novalis Novalis: Heimkehr der Hardenbergs

OBERWIEDERSTEDT/MZ. - Mehr sollte nicht verschwinden aus dem Rittergut im heutigen Landkreis Mansfeld-Südharz. Die Eltern entschieden für ihre drei Kinder: Nicht in ein Sammellager lenkten sie die Fuhre, sondern in Richtung Westen.
Was man verlassen hatte, war viel mehr als ein Familiensitz. Als Geburtshaus Friedrich von Hardenbergs (1772-1801), der unter dem Namen Novalis der wirkmächtigste Schriftsteller der frühromantischen Schule wurde, ist Schloss Oberwiederstedt ein Ort von hohem kulturhistorischen Rang. Heute beherbergt der 1988 von engagierten Bürgern vor dem Totalabriss gerettete Renaissance-Bau das Novalis-Museum und die Forschungsstätte für Frühromantik. Der Bund qualifizierte das Haus als "Kulturellen Gedächtnisort mit besonderer nationaler Bedeutung".
Diese Bedeutung erlebte am Donnerstag eine nochmalige Steigerung. Insgesamt 14 Gemälde kehrten zurück, die 1946 aus dem Schloss offiziell entfernt worden waren: die Hardenbergsche Familiengalerie, die in der mit einem Kamin ausgestatteten Wohnhalle ihren Ort hatte. Die Bilder aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert stammen aus dem in der halleschen Moritzburg deponierten Bodenreformgut. Von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Sparkasse Mansfeld-Südharz konnten die an die Hardenbergs rückübereigneten Gemälde nun erworben werden, die fortan als Dauerleihgabe im Schloss Oberwiederstedt ihren Platz finden.
Vier Bilder sind seit Jahren bekannt. Allen voran das einzige lebensechte Novalis-Bildnis, um 1800 gemalt von unbekannter Hand; es gehört zum Kernbestand des Novalis-Museums. In Ausstellungen zu sehen waren auch Anton Graffs Porträt des Novalis-Vaters Heinrich Ulrich Erasmus, das Bildnis des Bruders Georg Anton und des Onkels Gottlob Friedrich Wilhelm. Der große Rest der Bildwerke aber war nicht nur der Öffentlichkeit entzogen, sondern bis in die 90er Jahre in Halle dem Verfall preisgegeben. Aus den Keilrahmen geschnitten oder gerissen, befinden sich diese - nach einer ersten Konservierung - in einem teilweise erschütternden Zustand, dem freilich bald abgeholfen werden soll.
Unter den vielen klugen und beherzten Reden, die am Donnerstagmittag in der Wohnhalle des Schlosses gesprochen wurden, war denn auch der von der Direktorin des Kunstmuseums Moritzburg gehaltene Vortrag der am meisten mit Spannung verfolgte. Katja Schneider rekonstruierte den Weg der Hardenbergschen Bilder, die auf Befehl des Landes Sachsen-Anhalt 1946 aus dem Schloss geborgen wurden, um sie in der Moritzburg einzulagern; die Gutsbibliothek gelangte in die hallesche Universitätsbibliothek. Ein Bergungsverzeichnis der Bilder ist nicht überliefert, erhalten hat sich aber eine Liste vom Anfang der 50er Jahre: 21 Nummern sind verzeichnet, Gemälde und Pastelle.
Während die vier oben genannten Bilder in Ausstellungen zu sehen waren, wurde ein Teil verkauft - oder vernichtet. Man sprach damals aber nicht von Vernichtung, sondern von "Absetzung". Eine solche "Absetzung" ist für eine Schlachtenszene aus dem Hardenberg-Konvolut nachgewiesen.
Den großen Rest der Bilder fand man in den 90er Jahren im Dachgeschoss des Talamtgebäudes der Moritzburg. Bei Reparaturarbeiten entdeckte man insgesamt 1 100 rahmenlose Gemälde, die im Dachgeschoss "abgesetzt" worden waren: gerollt oder gefaltet, in die Dachschrägen hineingestopft. Bildermüll also, der Witterung und dem Schädlingsbefall schutzlos ausgeliefert und der schleichenden Vernichtung preisgegeben. Ein Akt von Kulturbarbarei, der auf seine detaillierte Dokumentation wartet.
Was für Oberwiederstedt gerettet wurde, ist nun vor Ort zu besichtigen: unter anderem das Bildnis der Novalis-Mutter Auguste Bernhardine mit einem Enkelkind (um 1805), das großartige Doppelbildnis von Caroline und Hanns von Hardenberg (1829) und ein Anfang des 19. Jahrhunderts gemaltes Porträt der Sidonie von Dieskau, geborene Hardenberg. Unter den Blicken dieser Personen die Rückkehr der Galerie zu feiern, war ein großes und anrührendes Ereignis.
Auch für den 78-jährigen Detmar von Hardenberg, der für diese Feier eigens von Holstein her ins Mansfeldische gereist war. Er kennt die historische Hängung der Bilder, die im Ausschnitt auf einer Schwarzweißfotografie überliefert ist. Was ihn bewege an so einem Tag? Der große schlanke Herr mit dem weißen Oberlippenbärtchen will da nicht lange nach eigenen Worten suchen. Er zitiert seinen berühmten Vorfahren: "Wo gehn wir denn hin? Immer nach Haus."
Novalis-Museum Oberwiederstedt,
Schäfergasse 6: Di-So 10-16 Uhr