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Niels Frevert Niels Frevert: Lapidare Lieder über die großen Dramen des Lebens

11.11.2011, 16:37

Halle (Saale)/MZ. - Aus der Weltherrschaft wurde dann aber nichts. Nach einem letzten Album löste sich die Nationalgalerie auf und Frevert erfand sich als elektrischer Liedermacher neu. Zwei Versuche brauchte der Hamburger, um sich eine unverwechselbare Stimme zuzulegen. Dann lieferte er mit "Du kannst mich an der Ecke rauslassen" ein Werk, das die Fachbibel "Spex" kurzerhand zu einem der wichtigsten Alben des Jahres 2008 erklärte.

Drei Jahre hat "Der Typ, der nie übt" (Liedtitel) für den Nachfolger gebraucht, der auf den ähnlich sperrigen Namen "Zettel auf demBoden" hört. Das Prinzip ist dasselbe geblieben, nur dass Frevert die Lautstärke seiner Lieder weiter reduziert und die Komplexität der Texte noch einmal erhöht hat.

Wo zuletzt noch Drums pumpten, flirren jetzt Streicher, wo große Lieder kleine Geschichten erzählten, stecken in Freverts lapidaren Dramen inzwischen so viele Wortspiele und Anspielungen, dass der Hörer mit dem Entschlüsseln manchmal kaum noch nachkommt.

Wer außer ihm käme schon auf die Idee, ein Liebeslied mit "Ich würde Dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn es nicht meine ist" zu überschreiben? Und das Stück dann auch noch mit einer Art jubilierendem Gospel-Chor auslaufen zu lassen? Oder sich in Liebesdingen Rettung zu wünschen wie "ein Quadratmeter Regenwald" sie wie selbstverständlich bekommt? Oder Herman van Veens "Bis mich jemand hört" als Zirkusnummer neu zu interpretieren?

Meist aber ist es gerade das Stille, Konstatierende, was Freverts Kunst ausmacht. Der Mann mit der kehlig Quengelstimme erzählt seine poetischen Berichte über das alltägliche Scheitern und das dennoch unausweichliche Immerweitermachen stoisch - und gerade deshalb klingen Songs wie "Blinken am Horizont" und "Wohin hat es deine Sprache verschlagen" trotz der Lyrics, die um mehr als vier Ecken denken, so souverän.

"Die Lieder taugen wirklich nicht zur Untermalung", singt Niels Frevert selbst über seine Pop-Poeme, die zwar niemals triumphieren, aber auch nie den Kopf hängen lassen. War "In Wien", die noch mit der Nationalgalerie vertonte Hommage an die österreichische Hauptstadt, noch ein deftig dampfendes Stück Rock, ist das ähnlich ambitionierte "Zürich" eher eine zurückgelehnte Nummer für die Hotelbar nach Mitternacht. Erwachsenenmusik, die auf einem "Floß Richtung Zukunft" (Liedzeile) treibt, während der Mann am Ruder versonnen in die Dämmerung singt. "Alles, was ich tun kann", heißt es im letzten Lied staubtrocken, "ist nichts außer Warten".