Nibelungenlied Nibelungenlied: Streit um angeblich älteste Fragmente entbrannt
Wien/dpa. - Um die in Österreich gefundenen angeblich ältesten Fragmente des Nibelungenliedes ist ein Streit unter Gelehrten entbrannt. Nachdem der Marburger Altgermanist Joachim Heinzle die zehn im Kloster Zwettl gefundenen Pergamentstücke auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert hatte, sagte die Klosterarchivarin und Entdeckerin Charlotte Ziegler der dpa am Freitag: «Paläographisch (handschriftenkundlich) stimmt das auf keinen Fall». Sie bleibe dabei, dass die als Sensation bezeichneten Schriftstücke aus dem 12. Jahrhundert stammen und damit die ältesten Schriftzeugen des Nibelungenliedes seien.
Die Erforschung der schwer lesbaren Fragmente habe die Schrift als «spätromanische Minuskel» gedeutet mit Anklängen an das «Angelsächsische des siebten bis neunten Jahrhunderts», sowie ans «Karolingische» aus dem achten Jahrhundert, erläuterte Ziegler ihre Position am Freitag in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Auch der Interpretation Heinzles, es handele sich beim Inhalt nicht um das Nibelungenlied, sondern um den Erec-Roman, widersprach die Historikerin. Drei der zehn Fragmente gehörten tatsächlich zum Erec, sieben könnten jedoch eindeutig dem Nibelungenlied zugeordnet werden.
Ziegler verwies auf den Salzburger Altgermanisten Ulrich Müller, der ihre Ansichten bestätigt habe. Müller konnte sich am Freitag zu diesem Streit selbst nicht äußern, da er sich auf Reisen befand. Seine Mitarbeiter haben eine Stellungnahme für die kommende Woche in Aussicht gestellt.
Die 2400 Strophen des Nibelungenliedes sind die bedeutendste mittelhochdeutsche Heldensage, die wahrscheinlich zwischen 1198 und 1204 im Umkreis des Passauer Bischofs Wolfger (1191-1204) aufgezeichnet wurde. Die einzelnen Teile um die Heldentaten des edlen Recken Siegfried, seine Ermordung und die Rache seiner Frau Kriemhild sind jedoch viel älter und gehen auf die Zeit der Völkerwanderung vom 4. bis 6. Jahrhundert zurück.