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Nibelungenlied Nibelungenlied: Älteste Fragmente wurden in Österreich entdeckt

31.03.2003, 12:50
Bereits 1998 wurden alte Fragmente des Nibelungenliedes im Stift Melk entdeckt. Sie deuten darauf hin, dass die Benediktiner eine eigene vollständige Abschrift der um 1200 entstandenen Dichtung besaßen. (Foto: dpa)
Bereits 1998 wurden alte Fragmente des Nibelungenliedes im Stift Melk entdeckt. Sie deuten darauf hin, dass die Benediktiner eine eigene vollständige Abschrift der um 1200 entstandenen Dichtung besaßen. (Foto: dpa) dpa

Wien/dpa. - Es sind nur zehn Pergamentstückchen, nicht größer als 3 mal 8 Zentimeter, die im österreichischen Kloster Zwettl (120 Kilometer nordwestlich von Wien) entdeckt wurden. Doch nicht nur ihr Alter von mehr als 800 Jahren lässt die Experten von einer Sensation sprechen. Vielmehr soll es sich bei den Texten aus dem 12. Jahrhundert um die ältesten Fragmente des Nibelungenliedes handeln. Bisher waren nur Aufzeichnungen nach dem Jahr 1220 bekannt.

«Die Schriftstückchen lagen wer weiß wie lange in zwei Schachtel mit anderen alten Fragmenten», berichtet die Kloster-Archivarin und Kunsthistorikerin Charlotte Ziegler am Montag in Wien. Sie fischte aus dieser kunterbunten Sammlung liturgischer, literarischer und rechtshistorischer Texte aus dem 12. bis 15. Jahrhundert die Sensationsschnipsel heraus.

Die fünf leichter lesbaren Bruchstücke erwähnen den Passauer Bischof Pilgrim (971-991). Die von ihm veranlasste Aufzeichnung des Nibelungenliedes ist verschollen. Auch der Spielmann des Hunnenkönigs Etzel, Swammerole, wird genannt, der die Kunde vom blutigen Heldendrama verbreiten sollte. Die Texte sind nicht in Versen, sondern als Prosa abgefasst. «Es handelt sich wohl um die Aufzeichnung einer mündlichen Überlieferung», schätzt Ziegler.

Die 2400 Strophen des Nibelungenliedes sind die bedeutendste mittelhochdeutsche Heldensage, die wahrscheinlich zwischen 1198 und 1204 im Umkreis des Passauer Bischofs Wolfger (1191-1204) aufgezeichnet wurde. Die einzelnen Teile um die Heldentaten des edlen Recken Siegfried, seine Ermordung und die Rache seiner Frau Kriemhild sind jedoch viel älter und gehen auf die Zeit der Völkerwanderung vom 4. bis 6. Jahrhundert zurück.

Der Mit-Gründer des Stiftes Zwettl, Hadmar II., aus dem Geschlecht der Kuenringer, war ein Freund und Verwandter von Wolfger. Der hatte sich wiederholt zur Jagd in dem Kloster aufgehalten. Auf diesem Wege könnte eine Aufzeichnung des Heldenepos in diese Region gekommen sein, erläutert die Kunsthistorikerin.

Der in Zwettl aufbewahrte alte Nibelungentext sei irgendwann zerschnitten worden, um mit dem Pergament die Buchrücken wertvoller Handschriften zu verstärken. Irgendwann seien diese Bruchstücke dann wieder von den Buchrücken abgelöst worden. Sie landeten in den beiden Schachteln und gerieten in Vergessenheit.

Die Fragmente mit den Anklängen an die Nibelungensage, eine «Geschichte von Mord, Rache, Hass und Hinterlist», wurden inzwischen für die Fachwelt publiziert. Jetzt sollen Germanisten bei der genauen Interpretation der Textstücke helfen.