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Neues Theater Halle Neues Theater Halle: Verrückte Damen feiern Erfolg auf hallescher Bühne

Von kai agthe 03.11.2015, 15:25
Ani (Sonja Isemer, l.) will Rufus (Stella Hilb), den letzten Patienten in der Klinik ihrer Schwester Ruth (Bettina Schneider, hinten), ermorden.
Ani (Sonja Isemer, l.) will Rufus (Stella Hilb), den letzten Patienten in der Klinik ihrer Schwester Ruth (Bettina Schneider, hinten), ermorden. FALK WENZEL Lizenz

halle (Saale) - Es geht ums Erbe – und damit ist bekanntlich nicht zu spaßen: Die greise Ani (Sonja Isemer) verlangt von ihrer älteren Schwester Ruth (Bettina Schneider), der sie in Hassliebe verbunden ist, sie endlich auszuzahlen. Letztere führt ein Sanatorium, das einst beider Eltern gründeten. Zu erben ist aber erst etwas, wenn der letzte Patient des seit Langem im Niedergang befindlichen Hauses als geheilt entlassen oder gestorben ist.

Rufus (Stella Hilb) jedoch ist weder geistig gesund noch dem Tode nahe. Lichte Momente wechseln bei dem von Wahnvorstellungen geplagten alten Mann mit Phasen, in denen ein gewisser „Orko“ und ein „Man at Arms“ – beides Figuren aus den He-Man-Comics der 1980er Jahre – aus ihm sprechen.

Als Anis Versuche, Rufus zu heilen, fehlschlagen, will sie dafür sorgen, dass er die Klinik mit den Füßen voran verlässt. Er reagiert allergisch auf Bohnen, warum also nicht ihn mit einem Smoothie, in dem solches Gemüse püriert ist, um die Ecke bringen? Das wird nicht bierernst, sondern über weite Strecken mit grellem Witz und schwarzem Humor dargeboten.

„Mad Madams“, also: „Verrückte Damen“, ist das neue Stück der Berliner Schauspielerin und Autorin Nora Abdel-Maksoud, die als neuer Stern am Theaterhimmel der Hauptstadt leuchtet. Am Neuen Theater in Halle feierte das Kammerspiel, von der Dramatikerin selbst inszeniert, seine Uraufführung. Zu der gehört auch Musik von Lena Zipp. Dass sie live E-Gitarre gespielt und gesungen hat, erfährt man erst beim Schlussapplaus, weil Zipp hinter den Kulissen musiziert. Dafür hat Uli (Eicke Vöcks) wiederholt kleine Auftritte: Er spielt einen Bühnentechniker. Aber warum? Rufus erweist sich als ein überaus harter Brocken. Mit pürierten Bohnen lässt er sich nichts ins Jenseits befördern. Mag er auch schizophren sein und unter Flatulenzen leiden, so ist er nach 38 Jahren in der Anstalt inzwischen Therapeut genug, um die psychischen Verwerfungen beidder Schwestern bis zurück in deren Kindheit deuten zu können. Rufus, der Psychiater und Welterklärer, der Ani noch bei komplexen polit-ökonomischen Diskussionen Paroli zu geben versteht. Um doch noch ans Erbe zu kommen, will Ani ihm, der so tief in ihre und ihrer Schwester Seele zu blicken vermag, mit dem Gewehr das Lebenslicht ausblasen. Doch dann ist sie nicht in der Lage abzudrücken...

Das Stück steht und fällt mit seinen drei vorzüglichen Akteuren: Sonja Isemer als Ani, die investigative Journalistin und hysterische Königin der Schönheits-OPs, Bettina Schneider als ebenso zynische wie entseelte Anstaltsleiterin und Stella Hilb als dickbäuchig-dreistimmiger Rufus brennen förmlich vor Spielfreude, ja sie gehen bis zur physischen Erschöpfung in ihren Rollen auf und können dadurch auch manch dramaturgische Schwäche des Textes auffangen.

Ob noch etwas zu erben ist, kann man nur mutmaßen. Als Rufus, Brechts Theorie des Epischen Theaters folgend, das Dargestellte als nicht real, sondern als Spiel bezeichnet, fallen alle Beschränkungen der von Katharina Faltner als schmuddliges Direktorenzimmer gestalteten Bühne: Rufus und Ani fliehen, Geld hin oder her, gemeinsam in die weite Welt, die größer ist als das Sanatorium. Dafür gab es von einem restlos begeisterten Premierenpublikum viel Beifall. (mz)

Nächste Vorstellungen: am 12. und 14. November, jeweils 20 Uhr