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Neues Theater Halle Neues Theater Halle: Erste Spielzeit des neuen Intendanten beginnt

Von ANDREAS HILLGER 07.09.2011, 19:53

Halle (Saale)/MZ. - Dann schicke man die Zuschauer auf Reisen und spiele an jeder Station acht Mal. Genau dies ist das Konzept für die "Große Freiheit Nr. 51", mit der das Leitungsteam des Neuen Theaters Halle um Matthias Brenner an diesem Samstag seine erste Spielzeit einleiten will.

Und selbst wenn man nicht weiß, dass die Acht in der christlichen Symbolik des Mittelalters als Zeichen für einen glücklichen Neubeginn gelesen wurde, darf man das Prinzip charmant nennen: Es suggeriert eine Verdichtung der Fülle, stellt alle Ensemblemitglieder an einem Abend vor und öffnet dem Publikum zudem Räume, die ihm sonst verschlossen bleiben.

Dass dabei auch die traditionell zugänglichen Bereiche des Neuen Theaters für Aufsehen sorgen werden, war bereits vor einigen Tagen gut zu erkennen: Dem Foyer des Hauses, das Brenners Vorgänger Christoph Werner in einen betont lichten, klar konturierten Raum verwandelt hatte, wurde eine Art Schritt zurück in die Zukunft verordnet. Bei Matthias Brenner wird dem Publikum ein roter Teppich ausgerollt, während er unter Kronleuchtern auf kostbar tapezierte Wände zuschreitet.

Das soll, sagt der neue Intendant, durchaus ein wenig "verspielten Kino-Glamour" assoziieren - wenn auch mit ironischer Brechung. Natürlich kenne er noch das alte Neue Theater des Peter Sodann, von dem sich Werner als direkter Nachfolger absetzen musste. Aber er wolle weder dessen Urzustand rekonstruieren noch das spätere Erscheinungsbild korrigieren: "Theater", sagt er pragmatisch, "ist nun mal kein Museum." Aber auch das Spektakel, mit dem er nun das Haus eröffnet, solle weniger "großen Krach" machen als vielmehr zur Wanderung durch die "irrwitzige Architektur" einladen - und zu Texten von Heiner Müller und Jim Jarmusch, Ernst Jandl oder Jakob Michael Reinhold Lenz.

Empfangen wird der Zuschauer dabei von etlichen neuen, aber auch von vielen altbekannten Gesichtern. Ob ihm eine Ensemblestruktur Sorgen bereitet, in der mehr als die Hälfte aller Schauspieler unkündbar sind? Irgendwann,

sagt Brenner auch mit Blick auf die Konstruktion der Bühnen und Orchester GmbH in Halle, habe er beschlossen, Kröten künftig nicht mehr zu schlucken - sondern sie kräftig zu würzen und mit Appetit zu verspeisen. Wie das geht, hat er unlängst in Rostock bewiesen, wo man mitten in seinen Proben zu "Effi Briest" das Haus wegen brandschutztechnischer Mängel schloss. Brenner machte aus der Not eine Tugend und organisierte eine Live-Übertragung der geschlossenen Veranstaltung im Internet - als Kundgebung gegen eine "komplett kunstfeindliche" Haltung.

Bei der Gestaltung seines ersten Spielplans, der mit 19 Premieren neben einigen Übernahmen zugleich als "Hamstervorrat für den Winter" gedacht ist, hat er ähnlich unkonventionelle Methoden angewandt: Zunächst habe er jeden seiner künstlerischen Partner - die Chefdramaturgin Henriette Hörnigk, den Studio-Leiter Jörg Steinberg und den musikalischen Leiter Alexander Suckel - nach einem Theaterabend gefragt, der ihnen unauslöschlich im Gedächtnis geblieben sei. Und dann habe er darauf geachtet, dass die Regisseure fast ausnahmslos selbst Schauspiel-Erfahrung haben - und dass er ihnen ungewöhnliche Herausforderungen bieten kann.

So wird Jo Fabian, der durch radikales Bildertheater bekannt wurde, schon in der kommenden Woche mit dem naturalistischen Text von Gerhart Hauptmanns "Die Weber" Premiere haben. Dominique Horwitz versucht sich an Dennis Kellys Psychothriller "Waisen". Und die Verbindung von Michael Schweighöfer mit Molieres "Arzt wider Willen" oder von Thomas Thieme und Jimmy Hartwig mit "Othello" könnte vielleicht gerade darum spannend werden, weil sie auf der Hand zu liegen scheint.

Dass Matthias Brenner im übrigen nicht nur das Haus, sondern auch die Stadt in den Blick nimmt, zeigt sich beispielhaft in seinem Silvesterprojekt: Das berühmte Cover zum Beatles-Album "Sgt. Peppers Lonely Heart's Club Band" soll dann im Mittelpunkt einer Revue stehen, bei der die abgebildeten Figuren - von Karl Marx bis zu Marlene Dietrich und von Albert Einstein bis zu Schneewittchen - fröhliche Auferstehung feiern. Da liegt es natürlich auf der Hand, mit dem halleschen Beatles-Museum zu kooperieren - so, wie das neue Team auch schon Kontakte zur Universität und zur Burg Giebichenstein, aber auch zum Traditionslokal "Krug zum Grünen Kranze" geknüpft hat. Brenners Credo ist dabei so einfach wie bestechend: "Wir kommen, wie wir sind - und wir sehen, wie Ihr seid."