Neues Theater Halle Neues Theater Halle: Eine Thekenbreite vom Glück

Halle (Saale)/MZ - Eine kleine Produktion auf der kleinsten Spielstätte der halleschen Kulturinsel, dem Schaufenster - und was für ein wunderschöner Abend! „Salzwasser“ heißt das Stück, geschrieben hat es Conor McPherson, in Halle hinreißend gespielt von Manuel Zschunke, Philipp Noack (beide aus dem Schauspielstudio) und Alexander Gamnitzer, der auch Regie führte. Der „irische Theaterabend mit Bier und Musik“ hat alle Erwartungen erfüllt und ist zu Recht mit anhaltendem, herzlichem Beifall belohnt worden.
Whiskey geht aufs Haus
Was die Erwartungen betrifft, so wird man sich, der Ankündigung folgend, zunächst an Bier und Musik halten wollen: Beides ist zu haben, im Schaufenster geht es eher familiär zu. Getränke, nicht nur Bier, gibt es an der Bar zu kaufen, die Musik steuern die drei Schauspieler als Intermezzi ihres 90-minütigen Spiels gratis bei. Und jeder Gast bekommt einen kleinen Whiskey auf Kosten des Hauses dazu, Whiskey ist schließlich ein konstituierendes Element irischer Kultur und gehört mithin zum Stück.
Zufriedene Besucher
Soweit also die freundlichen Rahmenbedingungen. Der Rest ist Schauspielkunst, und auch in dieser Hinsicht kommt man bei „Salzwasser“ voll auf seine Kosten. Die Premiere am Donnerstagabend hat wohl kein Besucher enttäuscht verlassen, im Gegenteil sah man zufriedene Gesichter ringsum.
Das hat vor allem damit zu tun, dass die drei Akteure sich ihr Stück klug gebaut und ihre Rollen liebevoll gespielt haben. Dieses Wort, liebevoll eben, mag keine übliche Kategorie zur Beurteilung eines Theaterabends sein, ist aber die treffende Bezeichnung. So plastisch, so tragikomisch vertraut treten diese drei Helden aus der irischen Provinz auf, dass man sich ihnen unmittelbar nahe fühlt.
Da stehen Joe (Manuel Zschunke) und sein älterer Bruder Frank (Philipp Noack) am Sarg ihres Vaters und erzählen ihr Leben. Und trinken natürlich ein Glas zu seinen Ehren. Das gehört sich so, obendrein ist der Alte auch ein rüstiger Trinker gewesen. Ehrlich gesagt, er hat regelrecht gesoffen, erinnert sich Joe. Schon mittags hat der verwitwete Imbisslokalbesitzer sein erstes Glas gekippt. Im Winter erst recht, wenn kaum ein Gast sich in seinen Laden verirrte.
Conor McPherson, 1971 in der irischen Hauptstadt Dublin geboren, hat Philosophie studiert und sich rasch einen Namen in der jungen britischen Autoren-Szene gemacht. Er ist Mitbegründer der Dubliner Theatergruppe The Fly by Night Theatre Co., die neue Stücke aufführt. Sein erstes eigenes Werk, „Rum und Wodka“, inszenierte McPherson 1992 am University College Dublin. Auch „Salzwasser“ brachte er selbst heraus, nachdem es verschiedene irische Theater abgelehnt hatten. 1996 kam das Stück dann in London auf die Bühne und wurde ein großer Erfolg. Inzwischen sind McPhersons sympathische Verlierer auch in Deutschland bekannt.
Joe ist erst siebzehn, er geht zur Schule und sein größtes Problem ist, dass er noch mit keinem Mädchen geschlafen hat. Dabei hat es ihm sein Schulfreund vorgemacht, wie einfach das geht - auf die eklige Art: Er hat ein betrunkenes, wehrloses Mädchen abgeschleppt und sich genommen, was er wollte.
Joe ist entsetzt weggerannt. Später, nachdem das Mädchen die Tat angezeigt hat, wird ihn sein Kumpel der Polizei als Vergewaltiger nennen. Das lässt sich schnell klären, aber ein Schock bleibt doch für ihn. Die Menschen sind nicht zwangsläufig gut, muss Joe lernen.
Davon ist Ray, der Dritte im Bunde, längst überzeugt. Schon, weil er sich selber kennt. Ray (Alexander Gamnitzer) ist der Freund von Joes und Franks Schwester, die selber nicht in Erscheinung tritt. Ray ist Dozent an der Universität, ein zynischer, versoffener Bursche, der sich, wenn er blau ist, auf langbeinige Erstsemester stürzt - im Grunde ein Versager wie Frank. Der ist im Imbiss seines Vaters hängengeblieben - unbezahlt, aber bei freier Kost und freiem Logis.
Märchenhafte Pointe
Aber einmal wird er etwas Großes tun: Er überfällt den Laden des fiesen, erpresserischen Wettbüro-Betreibers, dem sein Vater viel Geld schuldet. Die Sache geht gut aus für den Hobby-Gangster, Frank wird die Schulden des Alten mit dem Geld des Gläubigers bezahlen.
Eine ironische Pointe, die zugleich märchenhaft ist. Die Guten kommen ungestraft davon, sie werden einmal vom Schicksal belohnt und trotzdem bleiben, wie sie waren: Liebenswert, anständig und immer um eine Thekenbreite entfernt vom großen Glück in der kapitalistischen Wunderwelt.
Nächste Vorstellung am Sonntag um 20.15 Uhr im Schaufenster des Neuen Theaters Halle.