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Mosambikaner in DDR Neuer Comic "Madgermanes": So lebten Mosambikaner als Vertragsarbeiter in der DDR

Von Steffen Könau 20.11.2016, 12:00
„Madgermanes“ ist beim Avant-Verlag erschienen und kostet 24,95 Euro.
„Madgermanes“ ist beim Avant-Verlag erschienen und kostet 24,95 Euro. Buch-Cover/ Avant-Verlag

Halle (Saale) - Die DDR brauchte Menschen, Hände, Muskeln. Mosambik, erst wenige Jahre zuvor vom portugiesischen Kolonialjoch befreit und unter Führung des charismatischen Ex-Krankenpflegers Samora Machel auf dem Weg zum sozialistischen Einparteien-Staat, hatte sie zu bieten.

Warum also nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Als Erich Honecker im Februar 1979 die Volksrepublik Mosambik besucht, wird ein Vertrag zum Austausch von Vertragsarbeitern unterschrieben: ein Zeichen der Völkerverständigung und gegenseitigen Solidarität, wie beide betonen.

20.000 Mosambikaner kamen als Vertragsarbeiter in die DDR

Den Comic Madgermanes von Birgit Weyhe ist im Avant-Verlag erschienen und bei Amazon für 24,95 Euro erhätlich.

Auf der Basis des von Honecker und Machel geschlossenen Staatsvertrages schickt Mosambik mehr als 20.000 Landeskinder in die DDR. Die DDR hingegen verpflichtet sich, beim Aufbau des kriegsversehrten Landes im Osten Afrikas zu helfen - militärisch und mit Wohnungsbauspezialisten und Ingenieuren.

Ein Plan, der nie so ganz aufgeht. Statt die Mosambikaner wirklich auszubilden, werden sie vor allem als Arbeitskräfte dort eingesetzt, wo gerade Not am Mann ist.

Eine Integration in die DDR-Gesellschaft ist überhaupt nicht vorgesehen: Mosambikaner leben - wie Vietnamesen, Angolaner, Jemeniten und Kubaner - in ihren eigenen Wohnheimen meist in der Nähe ihrer Betriebe.

Abschiebung oder Abtreibung - Das Schicksal der Vertragsarbeiter

Kontakt haben sie fast ausschließlich zu ihren Arbeitskollegen, auch hier aber achtet der DDR-Staat darauf, dass die Menschen einander nicht zu nahe kommen. Wird etwa eine Vertragsarbeiterin schwanger, hat sie nur die Wahl: Schwangerschaftsabbruch oder Heimreise.

Für die wenig Exotik gewohnte DDR-Gesellschaft sind Angolaner, Algerier oder Mosambikaner auf einer Diskoveranstaltung schon ein Ereignis, das mit Staunen betrachtet oder als Provokation empfunden wird.

Vertragsarbeiter werden beneidet, weil sie Westgeld haben, echte Jeans und Schlag bei den Frauen. Doch die Wirklichkeit des Lebens in der DDR sieht oft anders aus, wie die Hamburger Zeichnerin Birgit Weyhe in ihrem Comic-Buch „Madgermanes“ beschreibt.

„Madgermanes“ werden die DDR-Mosambikaner von ihren Landsleuten daheim genannt - als Verballhornung des Herkunftsbegriffes „Made in Germany“.

Birgit Weyhe - Die Autorin von Madgermans

Weyhe, selbst in München geboren und in Uganda und Kenia aufgewachsen, spürt auf den 236 Seiten des ganz in Gold, Schwarz und Weiß gehaltenen Bandes dem Schicksal einiger der Menschen nach, die in den 80er Jahren mal länger und mal kürzer in der DDR gelebt haben.

Rosé, Basilio und Anabella sind fiktive Figuren, die Weyhe aus echten Vorbildern zusammengebaut hat - sie haben in Ilmenau, in Rostock und in Hoyerswerda gearbeitet, Deutsch gelernt und in Mehrbettzimmern in Neubaublocks gewohnt.

„Ziemlich weit außerhalb gelegen“, wie José berichtet, der in die DDR gekommen ist, um Lehrer oder Ingenieur zu werden. Und sich ohne eigene Wahlmöglichkeit plötzlich als Gleisbaufacharbeiter auf einer Baustelle wiederfindet.

Madgermans kämpfen bis heute um Genugtuung

Menschen zählen nicht, wo es für die DDR um die Planerfüllung und für Mosambik um hohe Staatseinnahmen geht. Denn Samora Machel kassiert für seine Landeskinder: Die bekommen von ihren Kombinaten nur 40 Prozent ihres Gehaltes ausgezahlt.

Den Rest überweist die DDR nach Maputo, denn der Vertrag zwischen beiden Ländern sieht vor, dass die mosambikanische Regierung die Frauen und Männer nach deren Rückkehr direkt auszahlt.

Es steht viel Geld auf dem Spiel, sehr viel Geld sogar. Geld, das die Mosambikaner niemals bekommen werden. Als die DDR zusammenbricht und mit ihr viele Kombinate, braucht niemand mehr die billigen Arbeitskräfte aus Afrika.

Fremd im eigenen Land

Schon im Mai 1990 ändern die DDR und Mosambik das Entsende-Abkommen, um die noch 16.000 Mosambikaner in ihre Heimat „zurückzuführen“. Mit der deutschen Einheit erlischt dann auch die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis der letzten noch Verbliebenen.

Doch die afrikanische Heimat braucht sie nicht mehr, die Menschen, die Schneemänner gebaut, Berliner Pilsner trinken und die Olsenbande lieben gelernt haben.

„Plötzlich schien mir meine alte Heimat viel weniger vertraut als es mein Alltag in der DDR gewesen war“, lässt Birgit Weyhe es ihren José beschreiben.

Das vom Bürgerkrieg verwüstete Land hat keinen Platz für Gleisbauer, die nebenbei die Kulturarbeit ihrer Parteigruppe organisieren. Es gibt keine Kinos, Bibliotheken, nicht mal fließendes Wasser. Manchmal treffe er sich noch mit anderen ehemaligen Madgermanes, sagt José. „Nur um mal wieder Deutsch zu sprechen.“

Was bleibt? Die Sehnsucht nach einem besseren Leben

Viel mehr ist nicht geblieben, auch bei Basilio, dem Samora Ma-chel selbst versprochen hatte, er werde mit einer Ausbildung in Europa zu einem Teil der neuen Führungselite Mosambiks werden.

Basilio hat es anfangs geglaubt. Und wurde bitter enttäuscht. „Die Partei hat uns verschachert“, sagt er, „wir haben nur geschuftet, um damit Devisen in die Taschen der Genossen zu schaufeln.“

Die Bilder, mit denen Birgit Weyhe diese Ernüchterung darstellt, zeigen auch die Neugierde und den Spaß, den die Madgermanes dennoch hatten, wenn getanzt, getrunken und Freundschaft mit DDR-Mädchen geschlossen wurde.

Es war das bessere Leben, auch wenn es nicht gut war, sagen sie, es hatte viele schöne Momente, auch wenn es seine Protagonisten am Ende oft zerbrach.

Bei Basilio kam dieser Punkt erst, als die DDR schon weg war und die Skinheads aus allen Löchern gekrochen kamen. „Überall nur Neid und Missgunst“, konstatiert der Maurer.

Und zögert nicht mehr länger mit der Heimkehr nach Mosambik. Dort kämpft er mit den anderen bis heute auf regelmäßigen Demonstrationen um sein Geld, das die Staatsführung seinerzeit dazu verwendete, Schulden für Warenlieferungen an die DDR zurückzubezahlen.

Insgesamt 17,4 Millionen US-Dollar Lohn überwies die DDR nach Maputo, dazu noch 18,6 Millionen Dollar für Sozialversicherungsbeiträge. Und alles ist weg, die ganzen 36 Millionen, verschwunden, ausgegeben. Die derzeitige Regierung hebt die Hände. Mosambik ist immer noch arm.

Doch die einstigen Vertragsarbeiter sind noch ärmer. Ihnen fehlt die eine Heimat. Und die andere fehlt ihnen auch. „Die DDR hat mir nichts gebracht außer der Sehnsucht nach einem besseren Leben“, fasst Basilio die Geschichte der schönsten Zeit in seinem Leben zusammen. (mz)