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Musikgeschichte Musikgeschichte: «Comedian Harmonists» waren die erste Boygroup

24.09.2003, 08:15

berlin/dpa. - Sie waren die erste Boygroup der Musikgeschichte und fast so bekannt wie später die Beatles - die Comedian Harmonists hatten in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg in Europa und Übersee ein Millionenpublikum. «Veronika, der Lenz ist da», «Ein Lied geht um die Welt» oder «Mein kleiner grüner Kaktus» wurden Evergreens. Auf Konzerten, Schallplatten und in Filmen sang sich das Sextett in die Herzen ihrer Fans. Der Weg zum Ruhm begann vor 75 Jahren. Am 28. September 1928 traten die Comedian Harmonists erstmals öffentlich auf - im Großen Schauspielhaus in Berlin für eine Gage von 120 Mark.

Neun Monate zuvor hatte der gerade volljährige Harry Frommermann mit einer Annonce im «Berliner Lokal-Anzeiger» Mitsänger für ein Vokalensemble nach Vorbild der amerikanischen Revellers gesucht. Mehr als 100 Männer meldeten sich, doch nur einer genügte Frommermanns Ansprüchen: Robert Biberti mit seiner außergewöhnlichen Bass-Stimme. Wenige Tage später holte Biberti zwei Chorkollegen aus dem Schauspielhaus nach: Den Bulgaren Ari Leschnikoff und den Polen Roman Cykowski. Später kamen Erich Collin und Erwin Bootz dazu.

Monatelang feilten die jungen Männer am Klang, sangen in Hinterhöfen für ein paar Mark, buhlten um Auftrittschancen. Ein erstes Vorsingen in der «Scala» ging katastrophal aus. Man sei ein Vergnügungslokal, kein Beerdingungsinstitut, hieß es lapidar. Erst als Varietékönig Eric Charell aufhorchte, wendete sich das Blatt. Nach einem ersten Gastspiel im Hamburg kam der Durchbruch. Sämtliche Auftritte der Comedian Harmonists waren seitdem ausverkauft. Vorstellungen in Köln und Leipzig folgten, der Rundfunk strahlte Konzerte aus, ein Plattenvertrag wurde unterschrieben.

«Dieses Schreien, diese Toben des Publikums - also ich war baff», erinnerte spä-ter Leschnikoff. 1930 folgte ein erster Auftritt in Amsterdam. In dem Film «Die drei von der Tankstelle» sangen die Comedian Harmonists den Gassenhauer «Ein Freund, ein guter Freund», die Gagen flossen üppig. Bei einem Konzert 1932 in der Berliner Philharmonie eroberte die Gruppe auch das Klassik-Publikum.

Das Sextett empfand die Nationalsozialisten zunächst nicht als Bedrohung. Die Gruppe konnte sich auf ihre Popularität stützen. Doch kurz nach der NS-Machtübernahme wurde es eng. Drei der sechs Mitglieder waren Juden. Erste Konzerte wurden storniert, die UFA sagte Filmaufnahmen ab. Nachdem im März 1934 Propagandaminister Joseph Goebbels öffentliche Auftritte von Juden verboten hatte, trat das Ensemble in einem letzten Konzert in München auf. Es kam zum Streit und gegenseitigen Vorwürfen zwischen den Juden und Nicht- Juden der Gruppe. Einen Ausweg schienen Auftritt in den USA und Norwegen zu bieten. Mit der Show in New York auf dem Flugzeugträger «Saratoga» wurden die Comedian Harmonists auch in Amerika bekannt.

Trotz des Erfolgs kehrte die Gruppe nach Deutschland zurück. Als 1935 Biberti, Bootz und Leschnikoff in die NS-Reichskulturkammer aufgenommen wurden, war das Schicksal besiegelt. Frommermann, Cycowski und Collin mussten als Juden mit ihren Familien Deutschland verlassen. Es war das Ende der Comedian Harmonists. Die meisten von ihnen würden sich nie wieder sehen.