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Psychedelic-Rock Unaufgeregt aufregend: „Anne, If“ von Ghost Woman

Auf dem neuen Album der Band Ghost Woman verschwimmen im Psychedelic-Folk-Rock-Sound Zeit und Raum. Und doch schafft das Werk die Verbindung zwischen den späten Sixties und dem Jetzt.

Von dpa Aktualisiert: 29.01.2023, 07:43
Ghost Woman ist das Projekt von Evan John Uschenko, der die 60er Jahre liebt.
Ghost Woman ist das Projekt von Evan John Uschenko, der die 60er Jahre liebt. Jacqueline Badeaux/dpa

Berlin - Die positiven Reaktionen auf das Debütalbum von Ghost Woman im vergangenen Sommer sind noch nicht verhallt, da legt der kanadische Multiinstrumentalist Evan John Uschenko bereits nach. Das neue Album „Anne, If“ schließt an den psychedelischen Sound des ersten Werks nahtlos an.

Das Projekt aus Nordamerika zieht dafür alle Register, denn Mastermind Uschenko zeigt mit einem noch breiteren Spektrum auf der neuen Platte seine Liebe zu Folk- und Psychedelic-Sounds der 60er und frühen 70er. Dabei setzt er auch auf sein Tascam 388-Tonbandgerät - ein 8-Spur-Produktionssystem, das Fans mit verträumten Gitarrenlicks, Fuzz-Effekten und Soundcollagen in andere Sphären beamt.

Woodstock-Feeling

So trifft nach einem behutsamen „Welcome“ als Opener des Albums gleich im zweiten Song mit „Broke“ grooviger Garagenrock auf Psychedelic-Trance. Bei „3 Weeks Straight“ heißt es hingegen Augen schließen und sich nach Woodstock ins Jahr 1969 träumen - die ersten Gitarrenriffs könnten als Hommage an Jimi Hendrix und sein „All Along The Watchtower“ durchgehen.

Uschenko imitiert bei seinen Songs nicht, sondern er zitiert vielmehr durch seine hörbare Sehnsucht nach diesem 50 Jahre alten Sound Ikonen der Rockmusik - zum Beispiel Jefferson Airplane. Aufgenommen habe er die Songs während eines seltsamen neuen Kapitels in seinem Leben, berichtete der Musiker.

Alle Freiheiten

Er habe während des Entstehens in einem großen Haus gelebt, in dem er nichts anderes zu tun hatte, als Musik aufzunehmen, alte VHS-Filme anzuschauen und Mahlzeiten über einem offenen Feuer im Hinterhof zu kochen. „Die Möglichkeit, zu jeder Tageszeit Töne zu erzeugen und Aufnahmen zu machen, hatte einen großen Einfluss auf meine Arbeitsweise und das, was ich produzierte“, erzählte Uschenko zur Entstehung des neuen Albums. So schafft es beispielsweise der eingebaute Reverb-Effekt, dem Sound die klanglichen Eigenschaften eines Raums zu verleihen und den Gesang von Uschenko sphärisch klingen zu lassen.

Ghost Woman entwickeln damit einen einzigartigen Sound. Vielleicht hat Uschenko - der nach eigener Aussage in einem Haushalt mit vielen Schallplatten aufgewachsen ist - auch einfach seine Playlist abgehört und sich mit Bands wie Can, Captain Beefheart oder The Velvet Underground in den Ohren in einen Timetunnel begeben, um anschließend diesen Sound in die Gegenwart zu holen - so klingt es jedenfalls.

Es wurde schon viel geschrieben über das Ein-Mann-Projekt Ghost Woman. Uschenko ist aber nach eigener Aussage kein Mensch, der gerne im Mittelpunkt steht. Deshalb will er selbst die Band auch nicht als „Soloprojekt“ verstanden wissen. So steht er in den Ghost-Woman-Live-Shows auch nicht allein auf der Bühne: Ille van Dessel sitzt am Schlagzeug und sein langjähriger Mitstreiter Nick Hay kümmert sich live um alles, was die Saiten betrifft.