Mitteldeutscher Kultursommer The BossHoss: Deutschlands erfolgreichste Country-Rockband feiert in Halle Comeback
Seit anderthalb Jahrzehnten sind Alec Völkel und Sascha Vollmer alias The BossHoss Deutschland erfolgreichste Country-Rockband. Nach der Corona-Zwangspause sehnt sich das Ost-West-Duo von der Rinderweide zurück auf die Bühne.

Halle (Saale) - Kühe gehören dazu, eigentlich schon immer. Eine Selbstverständlichkeit wie der Stetson, die Stiefel und das Pferd. Trotzdem dauerte es anderthalb Jahrzehnte, bis Alec Völkel auf die „bescheuerte Idee“ kam, wie er es selbst nennt: Der Sänger und Mitgründer von Deutschlands erfolgreichster Country-Rockband legte sich drei Wagyu-Rinderdamen zu.
„Der Cowboy braucht doch Kühe“, sagt er zu seinem Plan, auf dem Pferdehof seiner Schwägerin in Ostfriesland ganz langsam eine kleine Zucht aufzubauen. „BBQ ist schon lange eine Passion“, erzählt Völkel, der sich als BossHoss-Frontmann „Boss Burns“ nennt. Fleisch aus eigenem Anbau, das passt, auch wenn ein Zufall am Anfang stand: Bei einem Auftritt in einer Kochshow brachte ein anderer Mitwirkender den 50-jährigen gebürtigen Berliner auf die Idee.
Wer ist Boss und wer ist Hoss?
Alec Völkel, geboren und aufgewachsen in Ostberlin, Fan von Heavy-Metal-Musik und ausgebildeter Grafikdesigner, ist ein experimentierfreudiger Mensch. Bevor er mit seinem heutigen Bandkollegen Sascha Vollmer The BossHoss gründete, spielte Völkel in der Metalband Boon, die mit Rammstein und In Extremo auf Tour ging, ehe sie sich in Teheran Taxi umbenannte und deutsche Heavy-Songs veröffentlichte.
Alec Völker trug die Haare damals lang bis zum Bauchnabel, seine Band rockte streng teutonisch, hart, aber doch eher verwechselbar. „Davon leben konnte man nie“, erinnert sich Alec Völkel heute.
Glücklicherweise, denn bei der ganz normalen bürgerlichen Anstellung in einem Berliner Grafikbüro lernt Völkel Sascha Vollmer kennen - ebenso begeisterter Musiker, ebenso lange vergebens auf der Suche nach dem großen Traum, die Leidenschaft zum Lebensinhalt machen zu können. „Er kam eher vom Rockabilly, ich vom Metal“, erzählt Völkel von den ersten gemeinsamen Gehversuchen, „also dachten wir, Johnny Cash und Country, das finden wir beide gut.“

Es ist eine Bierlaune, die Pate steht bei der Geburt dessen, was heute Spitzenplätze in den Charts belegt und die größten Arenen füllt. Aus dem „lass mal ausprobieren, wie Countrymusik klingt, wenn wir sie spielen“, wird die BossHoss-Methode. „Wir wollten weder eigene Countrysongs schreiben, die niemand braucht, noch Countrysongs, die jeder kennt, einfach nachspielen“. Stattdessen verfallen Völkel und „Hoss Power“ Vollmer auf die Idee, Rock- und Pophits, die garantiert keine Countrysongs sind, so zu interpretieren, „dass jeder denkt, unsere Version ist das Original.“
Britney Spears „Toxic“ und „Seven Nation Army“ von den White Stripes riechen plötzlich nach Prärie, Lagerfeuer und Rodeo, zahme Popmusik geht durch wie eine Rinderherde bei einer Stampede. „Wir hatten keinen Plan, aber nach den ersten Auftritten ging alles ganz schnell“, erinnert sich Alec Völkel.
Wie Kollege Sascha Vollmer habe er das Gefühl gehabt, da gehe was, „da haben wir einen Nerv getroffen“. Kurzentschlossen kündigen beide ihre Jobs, statt ins Werbe-, geht es ins Tonstudio. „Wir haben wirklich an jeder Gießkanne gespielt“, denkt Völkel an die ebenso euphorische wie anstrengende Anfangszeit seiner nach einem alten Hit der US-Band The Sonics benannten Gruppe zurück.
Wilde Tanzexzesse
Alles habe sich damals schon erfolgreich angefühlt. „Wir waren mit der Band unterwegs und wir konnten davon leben.“ Konzerte geraten regelmäßig zu wilden Tanzexzessen, etwa beim Melt-Festival 2005, als The BossHoss das Zelt der After-Show-Party in einen Hexenkessel verwandeln. Die kleine Kapelle mit ihren Turnhemden, Nieten und Cowboyhüten, die eben noch niemand kannte, ist einen Augenblick später neue Lieblingsband aller, die den explosiven Auftritt miterlebt haben.
Wie viel mehr daraus noch werden wird, ahnen Völkel und Vollmer damals nicht einmal. Der gebürtige DDR-Bürger und sein aus dem baden-württembergischen Heidenheim an der Brenz stammender Kollege an der Gitarre genießen einfach jeden Moment ihrer rasanten Schussfahrt nach oben, in die Beletage der deutschen Popbranche. Eine „harmonische Ost-West-Beziehung“, nennt Völker seine Freundschaft mit Vollmer. „Wir merken, dass wir eine andere Geschichte haben, wenn wir von früher erzählen“, sagt er, „aber unser gemeinsames Ding ist die Musik und der ist es vollkommen egal, wo jemand herkommt.“
Als es losgeht mit The BossHoss „hatten wir so viel Gaudi, es blieb gar keine Zeit, darüber nachzudenken, wo das noch hinführen kann.“ Auf die großen Bühnen und ins Fernsehen, wo „Boss Burns“ und „Hoss Power“ als schlagfertige und kenntnisreiche Juroren bei „The Voice of Germany“ auch einem Publikum bekannt werden, das von The BossHoss bis dahin noch keinen Ton gehört hat. Aus der TopTen-Band wird nun eine Gruppe, deren Alben regelmäßig auf Platz 1 der Hitparaden springen.
„Nach einem neuen Album folgt eigentlich immer die Hallentour, im Jahr darauf dann sind die Open-Air-Auftritte dran“, schildert Alec Völkel die alte Normalität seines Jobs, die sich im Frühjahr 2020 plötzlich ins Nichts auflöst. „Es war wie eine Vollbremsung, von einem Tag auf den anderen“, sagt er.
Die Gesellschaft steht still im ersten Pandemieschock. Für Künstler wie Alec Völkel bedeutet der Lockdown noch mehr als „kein Kino, keine Party, keine Begegnungen“, wie er sagt. „Bei uns kam ein komplettes Berufsverbot dazu.“ Gewürzt zudem mit endloser Ungewissheit darüber, ob und wann es weitergeht, wie es weitergeht, wann wieder gearbeitet werden darf und wer dann überhaupt noch da sein wird von den Musikern, Techniker, Veranstaltern und Roadies.
Tour von Boss Hoss: Zweimal komplett auf Eis gelegt
„Wir haben unsere Tour von 2020 zweimal auf Eis gelegt, komplett verschoben und neu geplant“, erzählt Alec Völkel. Dass nicht nur die Band, sondern auch die vielen Helfer, die Veranstalter und die technischen Spezialisten in dieser Zeit kein Geld verdienen konnten, sei die eine Seite der Medaille, zu der noch die Ungewissheit kam, nicht zu wissen, wie lange das alles dauern wird. „Aber für das Gemüt wiegt schwer, dass du deiner Herzenssache nicht nachgehen kannst, deiner Leidenschaft und dem, weshalb du diesen Job machst.“
Denn das ist es immer noch, was Boss Hoss und Hoss Power antreibt und auf die Bühne zieht. „Wir machen das einfach gern“, sagt Völkel, dem die Fans vor der Bühne in den zurückliegenden Monaten ebenso gefehlt haben wie die Aufregung, bevor es raus geht und der erste Ton von „Black is Beautiful“ erklingt, der Nummer, die dem letzten BossHoss-Album den Namen gab.
- Karten: www.tim-ticket.de
- Mawi: www.mawi-concert.de
- Übersicht über alle anstehenden Konzerte: https://peissnitzinsel.com
Zweimal sind sie in diesem Jahr aufgetreten, zweimal war es „komisch, aber sehr gut“, wie Alec Völkel beschreibt. Man spüre, wie sich alles erst wieder finden müsse, in der Branche, die schwere Schäden genommen hat, aber auch beim Publikum, das Lust auf Livemusik spüre, die in den Monaten der Kontaktbeschränkungen antrainierte Zurückhaltung aber noch nicht vollkommen ablegen könne. „Es sind besondere Zeiten“, sagt Völkel, dem die Vorfreude auf die Rückkehr auf die Bühnen anzumerken ist. Es kribbelt inzwischen schon bei den Cowboys, die derzeit mitten in den Proben stecken. Die Rinderdamen in Ostfriesland müssen erstmal ohne ihren Chef auskommen. Boss Hoss und Hoss Power satteln die Pferde für ihr Live-Comeback. „Wird höchste Zeit“, sagt Alec Völkel.
The BossHoss spielen am 29. Juli auf der Peißnitzbühne in Halle.
Die weiteren Konzerte auf der Peißnitzinsel:
2. Juli - Mark Foster
9. Juli - Diana Krall
10. Juli - Chris de Burgh
15. Juli - Deep Purple
16. Juli - Toto
29. Juli - The BossHoss
30. Juli (Halle Messe) - Judas Priest
5. August - Katie Melua
6. August - OMD
7. August - Tom Jones
19. August - Scooter
23. September - Billy Idol