Musik Musik: Machtkampf im Berliner Untergrund

Berlin/dpa. - Die zeitgenössische Musik dient mehr zur Untermalung, denn alsAusdrucksmittel für die dramatischen Konflikte, die es schon in«Angies» Politikerleben gab.
Auch die Befürchtungen der echten Angela Merkel, das Stück könneeine bissige Parodie werden, waren unbegründet. Für den Versuch,Zeitgeschichte auf die Bühne zu bringen erhielt das Opernteam umKomponist Frank Schwemmer und Librettist Michael Frowin aber vielApplaus. Merkel selbst war bei der Premiere nicht dabei. Sie talktean diesem Abend bei Sabine Christiansen, will sich das Stück abermöglicherweise bei einer der nächsten Aufführungen ansehen.
20 Meter unter dem Zentrum der Macht im BerlinerRegierungsviertel, im unfertigen U-Bahnhof Reichstag, macht Angelamit hellem Sopran (Kathrin Unger) und energischen Schrittes Karriere.Nach dem Mauerfall beginnt ihre rasante Laufbahn: «Sie ist jung, sieist Frau, sie ist Ost», wägen die Parteifreunde ihre Chancen ab.Wolfgang Schäuble im Rollstuhl ringt die Hände, Edmund Stoiber lauertim Hintergrund und rückt die Brille zurecht, Roland Koch schmollt,Guido Westerwelle verteilt Blumen an die Journalisten und MichaelGlos breitet sendungsbewusst die Arme aus. Mimik und Gang derPolitiker wird von den Darstellern gut getroffen.
Der Weg zur Macht in der Männerwelt ist kalt und einsam. «Er hatmich in den Arm genommen, was wird man da?», fragt die Opern-Merkelnach einem Treffen mit Kohl hoffnungsvoll. «Seht Angie, die Schlange.Wem wird da nicht bange?», reimt Westerwelle etwas bemüht. «Schichtfür Schicht trägt man man ab vom Ideal, Schicht für Schicht tragt manauf zum Schutz», singt Angela schon bald desillusioniert. Zwischen«graue Maus» und «Lichtgestalt mit Gütesiegel» schwankt dieöffentliche Meinung auf der Bühne.
Trotz des skurrilen 70er-Jahre-Teppichs mit Blumenmuster strahltauch die Bühne (Tom Musch) im unfertigen U-Bahnschacht Kälte aus: MitNeonröhren beleuchtete Vitrinen stellen die durchweg schwarzgekleideten Figuren aus, auf braun gepolsterten Sesseln sitzt derChor der Journalisten und kommentiert Merkels Aufstieg und Fall. Diezur Theaterbühne umfunktionierte U-Bahnstation gehört zur sogenannten Kanzler-Linie durch das Regierungsviertel, die ausKostengründen nicht weiter gebaut wird.
Librettist Frowin, von September an stellvertretender Leiter desDresdner Kabaretts «Herkuleskeule», erzählt die Geschichte nachMotiven aus Evelyn Rolls Merkel-Biografie «Das Mädchen und die Macht»und zeigt viel Respekt für die Politikerin. Alles opernhafte Sehnenund Leiden der Hauptfigur fehlt aber. «Das Heil für Deutschland istimmer schon vom Süden ausgegangen», doziert Stoiber beimentscheidenden Frühstück im bayerischen Wolfratshausen. Merkel kramtin ihrer Handtasche nach der Pistole. Doch Stoiber überlebt.