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Musik Musik: DDR-Rock ist reif für das Museum

Von Thomas Kunze 30.08.2005, 11:29

Berlin/dpa. - «Ostrock hören ist irgendwie, sich seine Eltern beim Sex vorzustellen», lautet ein Spottwort über die DDR-Rockmusik. Peter Thinius und Klaus Schnabel-Koeplin grinsen über den frechen Spruch. Die beiden Anfangfünfziger leiten den Verein «Sechzig- Vierzig» in Berlin, der sich die Gründung eines DDR-Rock-Museums auf die Fahnen geschrieben hat.

«Natürlich hat das bei den Älteren auch mit Erinnerungen an die eigene Jugend zu tun», meint Thinius. «Aber der Ostrock lebt, das Interesse daran ist riesig. Rocklegenden wie Renft, die Puhdys, Karat oder City füllen zwischen Ostsee und Erzgebirge wieder die Konzertsäle. Da kommen durchaus nicht nur Altfans, sondern auch immer mehr Jüngere. Titel wie "Wer die Rose ehrt", "Am Fenster" oder "Geh zu ihr" sind Hymnen, die Generationen verbinden.»

Der Name des Vereins erinnert an die DDR-«Tanzmusikanordnung» von 1958. Danach mussten auf öffentlichen Tanzveranstaltungen mindestens 60 Prozent der Titel aus dem sozialistischen Lager stammen. «Die Fans wollten das natürlich nicht. Sie schrien nach den Stones oder nach Deep Purple. Deshalb haben wir die Oststücke meist in ruhigen Schmuserunden oder in Pausen eingesetzt, damit wir auf die Quote kamen», erzählt Thinius, der wie sein Kumpel Schnabel-Koeplin damals nach Feierabend als Diskotheker in Ostberliner Klubs Platten auflegte.

Beide fanden die undifferenzierte Ablehnung der Ostmusik schon damals ungerecht. «So oft das Publikum es zuließ, spielten wir Oststücke, denn es gab wirkliche Perlen darunter, von DDR-Bands wie Lift und Elektra, aber auch von ungarischen Gruppen wie LGT und Omega.» Die guten Kontakte zu den Gruppen kommen ihnen heute für ihre Sammlung zugute.

Vorerst residiert der Verein «zur Bewahrung von Werken populärer Kultur aus der DDR und den neuen Bundesländern» mit seinem Archiv im Keller eines Lichtenberger Kulturhauses. In den Regalen stapeln sich mehr als 2000 Schallplatten der DDR-Plattenfirmen Amiga/ETERNA sowie Plakate und Uralt-Ausgaben der Pop-Zeitschrift «Melodie & Rhythmus» bis unter die Decke.

Ausgesprochene Raritäten, etwa rund 150 Demotapes jüngerer Bands, sind hier zu finden, darunter von DDR-Untergrundbands wie Rosengarten, Herbst In Peking, Aufruhr Zur Liebe und Torpedo Mahlsdorf. Die Bänder werden derzeit digitalisiert und archiviert. Zu der Sammlung gehören Westveröffentlichungen von Bands wie Berluc, Karussell und Kreis.

Ein Sammler aus Magdeburg hat dem Verein Hunderte Amiga- Schellackplatten geschenkt. Andere schleppten historische Musikgeräte an, etwa einen Sonetta Schallplattenspieler von 1961 und eine legendäre Lautsprecherbox nebst Verstärker MV3, mit denen Generationen von DDR-Rockern die Konzertsäle beschallten. «Die Schattenseiten wie Zensur und Bespitzelung sparen wir nicht aus. Wir haben Dokumente von Auftrittsverboten gegen Gruppen wie Freygang, MCB und Magdeburg im Archiv», sagt Thinius.

Dazu passt das einem Renft-Titel entlehnte Motto der Ausstellung «Jahre zwischen Liebe und Zorn», mit der sich der Verein vom 28. September an in der Kultschule (Sewanstraße 43 in Berlin-Lichtenberg) vorstellen will. «Mit Ostalgie haben wir gar nichts am Hut», sagt Schnabel-Koeplin. «Wir sehen nur nicht ein, warum gute Musik aus jener Zeit der Vergessenheit anheim fallen soll. Dasselbe gilt für den Deutschrock aus dem Westen, der ja ebenfalls im Radio kaum gespielt wird.» Viele Leute klagten, im Radio erklinge zu viel Einheitsbrei.

Deshalb gingen die beiden Musikfreaks im Januar im Internet mit www.rockradio.de auf Sendung, das «absolut chartschrottfrei» sämtliche Sparten des Rock zu bedienen verspricht. Motto: Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik. Der Mix reicht von Keimzeit, Pankow und Engerling über die Einstürzenden Neubauten und Plan B bis zu den Kinks, Nirvana und Led Zeppelin.