Mode Mode: Blick zurück nach vorn

New York/Hamburg/dpa. - Rückblick, das bedeutet für Lagerfeld Rückschritt. Immer auf demWeg zu neuen Ufern ist der wohl berühmteste Modemacher der Welt, inFachkreisen wird er auch der «Designer, der niemals schläft» genannt.«Ich habe nicht das Bedürfnis nach einer Biografie» sagte er kürzlichder dpa. Gerade in den vergangenen Monaten hatte es Spekulationenüber eine in Arbeit befindliche Lagerfeld-Biografie gegeben. Alsmögliche Autorin wurde die «New-York-Times»-Journalistin Cathy Horngenannt. Doch Lagerfeld dementierte.
Seine Geschichte, meint er, sei sowieso anders als das, was überihn erzählt werde. In der Tat hat sich der aus Hamburg stammendeUnternehmersohn nie wirklich in die Karten schauen lassen. Mitweißgepudertem Mozartzopf («die bequemste Frisur, die es gibt» und«das einzige Mittel, meine eigentlich gelockten Haare zu halten»),Sonnenbrille und Fächer hat er sich zu seinem eigenen Markenzeichengemacht.
Hinter diesen Insignien verbirgt er die von vielen als äußerstfeinfühlig geschilderte eigene Person. Hinzu kommen seine«Kodderschnauze» und der Mut, sich immer wieder neu zu erfinden.Seit seiner legendären Abspeckkur im Jahr 2000, bei der er über 40Kilogramm verlor, trägt er messerscharf geschnittene Anzüge von DiorHomme oder die eng anliegenden Jacketts der amerikanischen MarkeLibertine. Dazu gesellen sich zahlreiche Ringe, Ketten und - wiekürzlich bei einer Ausstellungseröffnung ihm zu Ehren imthüringischen Apolda - ein fünf Kilogramm schwerer Metallgürtel.
«Eitelkeit ist die beste Disziplin», kommentierte er sein«gewichtiges» Accessoire in Apolda. «Man muss sich fit halten, sonstendet man schnarchend im Sessel», meint er. Das Multitalent -Lagerfeld entwirft Mode für verschiedene Häuser, fotografiert, ediertBücher und hat auch schon Hotels ausgestattet - muss in Bewegungbleiben. Da ist er sich einig mit Coco Chanel, die meinte, eine Fraumüsse jederzeit in der Lage sein, im Laufen einen Bus zu erreichen.
Coco Chanel (1883-1971), die den Kurzhaarschnitt, Frauenhosen,Sportlichkeit und so bequeme wie elegante Kleidung in Mode brachte,war Zeit ihres Lebens eine Verfechterin weiblicher Modernität.«Modern», das ist auch ein Lieblingswort von Lagerfeld, der 1983antrat, der Marke Chanel ein zeitgemäßes Gesicht zu verpassen.
Heute denkt jeder bei Chanel sofort an den Mann mit dem Zopf. Mit66 Jahren befindet er sich auf dem Zenit seines Ruhms. Als er imvergangenen Jahr eine Kollektion für H&M entwarf, war diese inWindeseile ausverkauft. Die Kunden rissen sich die Teile förmlich ausden Händen.
Furore machte auch der Verkauf seiner Marke Lagerfeld Gallery anTommy Hilfiger. Wo er auftritt, ob in der thüringischen Provinz oderin der Metropole New York: Karl Lagerfeld gleicht einem Rockstar.Auch hier gibt es eine Parallele zu Mademoiselle Chanel: Die stelltemit 70 Jahren die Modewelt noch einmal auf den Kopf und wurde zumSuperstar.
Die vielen Bezüge zwischen Coco und Karl, Chanel gestern undheute, werden in der Ausstellung anhand von Dutzenden Kleider-Modellen und Accessoires, Video-Installationen und Zitaten gezogen.Gleichzeitig erscheint ein Katalog, für den Lagerfeld eigenhändigFotos von Kleidermodellen mit gezeichneten Köpfen oder Gliedernversehen hat.
Hintergrund: Das Metropolitan Museum untersagt es, dass von ihmausgestellte Kleider noch einmal von Menschen getragen werden. «DieKuratoren können also nicht in Museumskleidern auf Partys gehen»,kommentierte Lagerfeld.