Michael Ende Michael Ende: Lustpartie durch Lummerland
Potsdam/MZ. - Dass so etwas schon eine Monarchie in eine Krise stürzen kann, ist keine gute Nachricht. Ein Staat, der neben Alfons allein aus der Händlerin Waas, dem Fotografen Ärmel und Lokomotivführer Lukas besteht. Ein Mensch mehr ist einer zu viel. Alfons: "Unser Land leidet jetzt einfach an Überbevölkerung. Fast alle Länder der Welt leiden daran, aber Lummerland besonders. Ich mache mir schreckliche Sorgen. Was sollen wir tun?"
Poetisch und plastisch
Gute Frage, in der sich der wahre Erzähler Michael Ende zeigt: Dem Märchenkrönchen fügt er immer noch einen sozialpolitischen Zacken hinzu. Dabei ist Lummerland nicht Deutschland, aber man kann in der Wohlstandsinsel Züge der alten Bundesrepublik entdecken. Von der aus hat 1960 Michael Endes Roman "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" einen sensationellen Erfolgsweg genommen, unmittelbar gefolgt von "Jim Knopf und die Wilde 13": plastisch, poetisch, überraschend erzählt.
Aber so wie dieses Lummer- eben nicht nur als ein Märchenland gelten soll, ist Michael Ende selbst mehr als nur ein Bestsellerautor gewesen. Als sehr viel mehr jedenfalls hat sich der 1929 im bayrischen Garmisch-Partenkirchen geborene Künstlersohn verstanden, der 1995 im Alter von 65 Jahren starb. "Momo" (1975), "Die unendliche Geschichte" (1979), die Jim-Knopf-Bücher: Das ist heute alles Volksvermögen. Die Person Michael Ende aber ist verschwunden.
Und wer weiß schon, dass die nach Endes Libretto komponierte Kinderoper "Das Traumfresserchen" zu den meistgespielten deutschen Opern nach 1945 zählt? Einer von vielen Hinweisen, die man im Filmmuseum Potsdam erhält. Nach dem großen Erfolg der als Familienausstellung dargebotenen Schau "Märchenland Babelsberg" wird die Ausstellung "Michael Ende - Magische Welten" gezeigt. Wiederum, wenn auch weniger opulent, für Kinder und Erwachsene eingerichtet: Eine Lümmelfläche lädt zum Kopfhörerlauschen ein, vor jeder Schauabteilung - "Jim Knopf", "Der Wunschpunsch" und so fort - steht jeweils eine gusseisern klapprige Schreibmaschine, die die Kinder einlädt, selbst kurze Geschichten zu tippen; das geht besser, als man denkt. Auch wenn weder das Modell des Glücksdrachens Fuchur noch die originalen Jim- und Lukas-Figuren aus der Augsburger Puppenkiste angefasst werden dürfen, können sich die Kinder nicht zuletzt in der "Momo"-Arena amüsieren. Unter dem Blick "Grauer Männer" flimmern Ausschnitte des mit Armin Müller-Stahl und Mario Adorf prominent besetzten Kinostreifens. Ein kleines Ereignis aber ist die Strecke für Erwachsene: die anregend dokumentierte Lebenserzählung des Michael Ende. Der war ein deutscher Künstlersohn und er wurde ein deutscher Künstler, alles soziale und philosophische Sendungs- und Belehrungsbewusstsein inklusive, das aber nie den Rang der Ende-Prosa erreichte.
Magisches Theater
Die Mutter Luise: eine lebensreformerisch inspirierte Geschäftsfrau und Künstlerseele, die einen Laden für arabische Spitzen und Edelsteine betrieb. Vater Edgar: einer der ersten deutschen, von den Nazis mit Malverbot belegten Surrealisten; in Potsdam sind einige seiner Traumbilder zu sehen. Der Sohn selbst: ein freies, den Künsten zugewandtes Kind. Ein schönes Foto zeigt den Zehnjährigen mit zwei Wellensittichen auf dem Kopf. Von dieser Herkunft kommt alles her. Michael Ende, der über das Theater zum Schreiben findet, nimmt bald die Wirklinien seiner Eltern auf: das Verspielte, Traumverlorene und Reformerische, auch das Prätentiöse und Kunstgewerbenahe.
Starke, wenn auch etwas schlichte Programme: Tatsächlich "gegen" Brechts "episches" setzt Ende sein Konzept des "magischen" Theaters. Kurz gefasst: Der Traum hat immer recht. Er gehöre, sagte Ende von sich, zur Fraktion der deutschen Romantik - und wie diese hat er in der Literaturkritik viele Gegner gefunden. Im Grunde aber, sagt er, gehe es bei aller Kunst, um das in Worte nicht fassbare "Urerlebnis von Qualität". Das "Urerlebnis" bleibt ein vager Begriff, was "Qualität" ist, zeigt Michael Ende in seinen besten Werken immer wieder.
Filmmuseum Potsdam: bis 5. Oktober, täglich 10 bis 18 Uhr