Medien Medien: Stefan Aust hält beim «Spiegel» die Zügel in der Hand

Hamburg/dpa. - Höchstes Lob hat er schon vorab erfahren. «Spiegel»-Gesellschafter und Augstein-Sohn Jakob sagte im Mai der «FrankfurterAllgemeinen Zeitung»: «Stefan Aust ist ein hervorragenderChefredakteur. Er hat es fertiggebracht, den "Spiegel" von denVerlusten, die alle anderen in den letzten Jahren erlitten haben,weitgehend freizuhalten. Das ist eine große Leistung. Ein bessererChefredakteur als Aust ist weit und breit nicht in Sicht, weder imHaus noch außerhalb.»
Aust, mit dem «Spiegel» meinungsbildend in Deutschland, war inseiner Position nicht unumstritten. Schon seine Berufung zumChefredakteur hatte in der Redaktion Widerstand ausgelöst.Herausgeber Rudolf Augstein (1923-2002) setzte ihn am 16. Dezember1994 aber durch.
«Viele hätten mir nicht zehn Jahre, sondern maximal zehn Monategegeben, oder hätten die Befürchtung gehabt, dass, bliebe ich länger,der "Spiegel" nicht mehr das größte Nachrichtenmagazin ist», sagteAust zum zehnjährigen Jubiläum. Es war befürchtet worden, Aust könnedas Magazin mit kürzeren Beiträgen leichter machen. «Ich bin genau zuden gegenteiligen Schlussfolgerungen gekommen.» Die verkaufte Auflageliegt beständig über 1,0 Millionen Exemplaren, im 1. Quartal 2006 bei1,055 Millionen. Der «Spiegel» stehe auf dem Boden der Realität,sagte Aust zur Ausrichtung des Magazins in einem Fernsehporträt.
Zum Spiegel-Verlag gehört auch «Spiegel TV», mit dem sich Aust vorder Kamera einen Namen machte. Hemdsärmelig präsentierte derModerator sich und die Themen des Politmagazins, dessenZuschauerzahlen unter Aust von 1988 mit mehreren hunderttausend bis1994 auf bis zu 4,3 Millionen kletterten. Als einer derGeschäftsführer hat der Chefredakteur die Entwicklung des Programmsnach wie vor im Blick. Und für die rund 300 Mitarbeiter wünscht ersich, dass sie ebenso - wie die Kollegen der Mitarbeiter-KG desVerlags - am Erfolg beteiligt werden.
Angefangen hatte Aust seine beruflich Karriere 1966 als Redakteurbei der Zeitschrift «Konkret» und bei den «St. Pauli-Nachrichten».Dann arbeitete er für den NDR und dessen Politmagazin «Panorama». Mitder Dokumentation «Der Baader-Meinhof-Komplex» (1985) machte Austebenso auf sich aufmerksam wie mit seinem Buch «Mauss - Ein deutscherAgent» (1988). Terrorismus, die Geschichte des Dritten Reichs, dieAufarbeitung der DDR-Vergangenheit und das Stasi-System - das sindseine Themen.
«Das Bodenständige hat er ebenso wenig verloren wie die Fähigkeitzu staunen», schreibt Publizist Michael Jürgs über Aust («ParkAvenue»/Nov. 2005). «Früher hat er nur für sich gestaunt, heute rufter (Aust), egal wo auf der Welt er sich gerade befindet - und erbefindet sich oft - per Satellitentelefon in der Redaktion an undmeint, man müsse doch mal. Müsse ist falsch ausgedrückt. Man mögemal, und zwar schnell.»
Nicht nur im Verlag ist Aust Manager. Der Sohn eines Landwirts, inStade geboren, hält an seiner Scholle fest. Er betreibt dort auf demLand eine Pferdezucht. Zwischen Redaktion und Pferdestall wird derverheiratete Vater zweier Töchter auch in den nächsten Jahren nochpendeln. Sein Vertrag mit dem «Spiegel» läuft bis Ende 2008 und kannum weitere zwei Jahre verlängert werden.