Maurice Béjart Maurice Béjart: Revolutionär des klassischen Balletts

Paris/Lausanne/dpa. - Béjartzählte zu den bedeutendsten Choreographen weltweit und hat dasklassische Ballett revolutioniert. Er schuf in seinemunverwechselbaren Stil mehr als 100 Tanzwerke.
Obwohl er schon seit Jahren durch ein schweres Hüftleiden auf denRollstuhl angewiesen war, arbeitete Béjart bis zuletzt in seinemTanztheater in Lausanne. In wenigen Wochen wollte er mit seinerCompagnie in Paris seine jüngste Kreation vorstellen: «In 80 Minutenum die Welt». Die Premiere sollte kurz nach seinem 81. Geburtstag am1. Januar stattfinden. Doch vor wenigen Tagen musste er sich mitNieren- und Herzproblemen in das Universitätskrankenhaus Lausannebegeben.
Sein Werk bewegte sich musikalisch und tänzerisch zwischen Klassikund Avantgarde. Béjart ließ den wippenden Ballettrock aus Tüll vonder Bühne verschwinden und steckte seine Tänzer in Strumpfhosen undenge Jeans. Er startete einen Aufstand gegen die Ballett-Langeweileund erneuerte den europäischen Tanz.
Sein Tod hat tiefe Betroffenheit in der Welt des Tanzes ausgelöst.«Er war ein großer Freund von mir, mit dem ich mich sehridentifizieren konnte. Ich werde ihn persönlich unendlich vermissen»,sagte der Intendant des Hamburg Balletts, John Neumeier, amDonnerstag der dpa in Hamburg. Béjart sei unendlich wichtig für dieNeudefinition des klassischen Tanzes gewesen. Er habe ein ganz neuesPublikum für den Tanz gewonnen, «weil er ihn in eine revolutionäreRichtung geführt hat, ohne die klassischen Wurzeln zu zerstören»,erklärte der gebürtige Amerikaner, der seit 1973 das Hamburg Ballettleitet.
Mit Béjart verliere die Schweiz nicht nur eine beeindruckendePersönlichkeit, sondern einen Botschafter, meinte auch der BaslerChoreograf Heinz Spoerli. Béjarts größte Leistung sei es gewesen,dass er das klassische Ballett mit innovativen Elementen angereicherthabe. Als bedeutendste Kreationen nannte Spoerli «Boléro», «Symphoniepour un homme seul» und «Le voyage».
Als Tänzer debütierte Béjart 1945 in seiner Heimatstadt Marseille.Den Durchbruch als Choreograf schaffte er 1959 mit der legendärenBrüsseler Inszenierung von Igor Strawinskys «Le Sacre du Printemps».Fünf Jahre zuvor hatte er seine erste eigene Ballett-Truppe in Parisgegründet.
1960 ging er ganz nach Brüssel und rief hier das «Ballet du XXesiècle» (Ballett des 20. Jahrhunderts) ins Leben. Mit diesem Ensembleentwickelte er sein «Totaltheater», in dem Sprache, Musik, Tanz undRegie zu einem Gesamtkunstwerk zusammenlaufen. Im Sommer 1987 verließBéjart Brüssel nach einem Eklat und ließ sich mit seinerweltberühmten Compagnie in Lausanne in der Schweiz nieder.
Die Arbeiten Béjarts wurden jedoch nicht immer gefeiert. SeineAbkehr vom klassischen Ballettrepertoire und sein Interesse fürkomplizierte atonale Kompositionen wie die von Iannis Xenakis oderdie konzeptuelle Musik eines Pierre Boulez stießen vor allem diePariser Ballettfreunde vor den Kopf. Der Avantgardist, der seineTänzer auch zu experimentellen Vokalklängen von Karlheinz Stockhausenauf die Bühne schickte, erntete mitunter auch Pfiffe.