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Margot Käßmann Margot Käßmann: «Der Tod ist ein Doppelpunkt»

16.11.2012, 20:09

Berlin/MZ/MW. - Das Sterben geht jeden an, doch häufig wird es verdrängt. Nicht so bei der ARD, wo es von ab Samstag bis kommenden Freitag im Mittelpunkt der Themenwoche "Leben mit dem Tod" steht. In dem Programmschwerpunkt wird das Thema Tod im Ersten, den Dritten Programmen, im Radio und im Internet in zahlreichen Filmen, Dokumentationen und Diskussionsrunden beleuchtet. Schirmherrin ist die evangelische Theologin Margot Käßmann. Die 54-jährige Pastorin war hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Nachdem sie von der Polizei betrunken am Steuer ihres Dienstwagens erwischt wurde, trat sie im Februar 2010 von beiden Ämtern zurück. Derzeit engagiert sie sich als Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum 2017. Margot Käßmann ist geschieden und hat vier Töchter. Für die MZ sprach Martin Weber mit ihr.

Frau Käßmann, der Tod ist allgegenwärtig im Fernsehen, vor allem in zahlreichen Krimis wird viel gestorben. Warum braucht man da noch eine Themenwoche über das Sterben?

Margot Käßmann: Das Interessante ist beispielsweise, dass Kinder diesem fiktiven Tod im Fernsehen ständig ausgesetzt werden - und auf der anderen Seite heißt es dann, man kann ein Kind doch nicht mit zu einer Beerdigung nehmen. Wir müssen aber damit umgehen, dass wir alle sterben werden - und zwar ganz real sterben, nicht fiktiv. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist enorm wichtig im Leben, und das zu fördern ist mir ein Anliegen.

Und diese Auseinandersetzung ist den Zuschauern zumutbar?

Margot Käßmann: Absolut. Es geht doch zum Beispiel um die Frage: Wie will ich sterben? Es ist einfach wichtig, darüber einmal nachzudenken, sonst stehen die Angehörigen eines Tages da und wissen nicht: Hätte die Mutter gewollt, dass eine Magensonde gelegt wird, oder wie hätte sie sich die Trauerfeier gewünscht? Es gilt ja vieles zu entscheiden am Schluss. Sich darüber mal vorher Gedanken zu machen, finde ich schon sehr wichtig.

Wie bereiten Sie sich selber auf Ihren Tod vor?

Margot Käßmann: Zum einen habe ich versucht zu regeln, was der Mensch regeln kann, um meine Kinder zu entlasten. Dazu gehören Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht. Ich habe mit meinen Kindern außerdem darüber gesprochen, wie ich meine Beerdigung gerne hätte und wer sie durchführen soll. Solche praktischen Dinge sind also geklärt. Außerdem war mir wichtig, mit meinen Kindern darüber zu sprechen, dass sie froh und dankbar zurückblicken sollen und nicht nur in Trauer versinken müssen.

Sie selber waren auch schon ganz direkt mit dem Gedanken an den Tod konfrontiert, als Sie vor ein paar Jahren an einer Krebserkrankung litten, die Sie dann überwanden.

Margot Käßmann: Wenn das allgemeine Wissen über die Sterblichkeit zu einer ganz persönlichen Nachricht wird, die besagt: Dein eigenes Leben ist begrenzt, dann denkst du natürlich noch einmal besonders intensiv darüber nach, wie du eigentlich weiterleben willst. Das war bei mir auch so.

Ist der Gedanke an den Tod lieber Menschen schlimmer als der an das eigene Sterben?

Margot Käßmann: Ich denke, dass ein Wort der Dichterin Mascha Kaléko auch für mich gilt. Sie sagt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur, den Tod der anderen muss man leben. Das ist sehr wahr. Mit meinem eigenen Tod kann ich umgehen, ich kann mir sagen, dass ich ein gutes Leben hatte und dankbar zurückblicken. Aber liebste Menschen zu verlieren, das tut unendlich weh - und das kann niemand kleinreden. Ich habe mehr Angst vor dem Tod der Menschen, die ich liebe, als vor meinem eigenen.

Wie möchten Sie selber sterben, wenn es soweit ist?

Margot Käßmann: Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sehr gerne in einem Hospiz sterben, weil ich weiß, dass die Mitarbeitenden dort es gewohnt sind, auch Geduld mit dem Tod zu haben und dem Sterben seinen Raum und seine Zeit zu lassen. Im Arbeitsbetrieb eines Krankenhauses ist das häufig gar nicht möglich, und zu Hause ist es für die Angehörigen doch meist sehr schwer - es ist körperlich oft ungeheuer anstrengend, immer da zu sein. In Ruhe und in Frieden in einem Hospiz gehen zu können - das fände ich schön.

Möchten Sie den Tod bewusst erleben oder lieber im Schlaf sterben?

Margot Käßmann: Wenn ich das Leben in Ruhe aushauchen kann, dann möchte ich das gerne auch bei Bewusstsein tun. Ich habe das als Pfarrerin mal bei einer alten Dame erlebt, die ihr Leben ganz einfach aushauchte - das war ein sehr friedvoller und schöner Übergang.

Und wie möchten Sie auf keinen Fall sterben?

Margot Käßmann: Ich möchte nicht gerne im Entsetzen eines Autounfalls oder in einer Schrecksekunde sterben. Viele sagen ja: Am liebsten ein Knall und dann tot. Ich fände es aber schöner, wenn ich Abschied nehmen könnte.

Für Sie als gläubigen Menschen ist der Tod ja nicht das Ende.

Margot Käßmann: Er ist für mich auf jeden Fall kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt. Ich bin davon überzeugt, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Die Bibel sagt übrigens gar nicht so viel darüber, was das ist, aber sie sagt: Da werden alle Tränen abgewischt sein und Not, Leid, Geschrei werden ein Ende haben. Das ist die Auferstehungshoffnung, mit der ich lebe.

Im Rahmen der Themenwoche wird es auch eine Sendung mit dem deutschen Kabarettisten Dieter Nuhr geben. Darf man über den Sensenmann lachen?

Margot Käßmann: Aber ja, ich finde schon, dass wir über den Tod lachen dürfen. Gerade wenn wir Scherze über etwas machen oder ironisch damit umgehen, geben wir ihm ja auch einen Namen. Viel schlimmer ist das Verschweigen und das Tabuisieren, weil das die Angst nur verstärkt.

Kennen Sie denn einen guten Witz über den Tod?

Margot Käßmann: Im Moment fällt mir leider keiner ein, aber eine wirklich lustige Grabinschrift kann ich Ihnen nennen: "Hier liegen meine Gebeine. Ich wünschte, es wären deine."