Magdeburg Magdeburg: Manhattan des Mittelalters
Magdeburg/MZ. - Für den Hausherrn Matthias Puhle und sein Team aber markiert die Präsentation im Kaiser-Otto-Saal dennoch eine wichtige Wegmarke: Exakt 100 Jahre nach Eröffnung des Museums am 16. Dezember 1906 rechtfertigt sie durch die Erinnerung an Traditionen und Umwidmungen auch die großen Pläne, die man in Magdeburg für die Zukunft hegt.
Denn nachdem das Museum anfänglich auch eine kostbare Sammlung zur Kunst und Kunstgewerbe beherbergt hatte, erzwangen die Verluste des Zweiten Weltkriegs eine erste Neuorientierung. Weil 337 Gemälde - darunter Werke von Cezanne, van Gogh und Liebermann im heutigen Schätzwert von 250 Millionen Euro - nach ihrer Auslagerung in eine Schachtanlage bei Staßfurt unauffindbar blieben, konzentrierte man sich zu DDR-Zeiten auf Archäologie sowie auf die geforderte Legitimation der sozialistischen Gegenwart.
Glücksfall der Wende
Dass nach der Wende eine erneute Kurskorrektur unabdingbar war, erwies sich als Glücksfall für Magdeburg: Spätestens mit der Ottonen-Ausstellung war im Jahr 2001 ein Thema gefunden, mit dem man gewissermaßen "Urbi et orbi" gerecht werden konnte: Das "Manhattan des Mittelalters", wie Magdeburg in einer euphorischen Ausstellungs-Rezension genannt wurde, diente als Brennglas für die Entwicklungen einer ganzen Epoche.
Diesen Effekt will Puhle nun mit einem Zentrum für Mittelalter-Ausstellungen verstetigen, das in und mit dem Museum arbeiten soll. Ein Stab von Wissenschaftlern soll "angewandte Mediävistik" betreiben und die aktuellen Forschungstendenzen direkt in Ausstellungsthemen überführen. Das Kultusministerium hat bereits sein Wohlwollen bekundet, auch Hochschulen und illustre Leihgeber wie die Bibliothek des Vatikan signalisieren nach dem jüngsten Erfolg Interesse an weiterer Kooperation. Dass Puhle die Euphorie nutzt und als Voraussetzung für das Gelingen des ehrgeizigen Planes neben drei bis vier Mitarbeiter-Stellen auch einen Anbau an der Südseite des Museums fordert, der in der Lücke zwischen Ost- und Westflügel rund 1 500 Quadratmeter Nutzfläche bringen würde, ist verständlich.
Immerhin sind die nächsten Höhepunkte bereits terminiert: Im übernächsten Jahr will man sich den Ritualen im alten Europa als "Spektakel der Macht" widmen, 2009 soll mit dem 800-jährigen Jubiläum des Magdeburger Doms der "Aufbruch in die Gotik" beleuchtet werden. Weitere Projekte gelten den Städten des Magdeburger Rechts sowie - als Präludium zu den Reformationsfeierlichkeiten des Jahres 2017 - dem europäischen Vorabend dieses Epochen-Umbruchs.
Dass all diese Vorhaben nur dann realisierbar sind, wenn man auch den Bund als Partner für das Magdeburger Ausstellungs-Zentrum gewinnen kann, ist Puhle klar. Doch dass er mit Magdeburgs Bedeutung als missionarische und ökonomische Schnittstelle zwischen slawischen und germanischen Siedlungsgebieten sowie als Grablege Ottos des Großen gewichtige Argumente vorbringen kann, berechtigt ihn zu Zuversicht.
Ein ferner Spiegel
Auf die Frage, wie er sich den "mit Erstaunen und Entzücken" registrierten Erfolg der jüngsten Schau erkläre, antwortet Puhle mit einem Buchtitel der Historikerin Barbara Tuchman: "Ein ferner Spiegel" sei das Mittelalter für die Gegenwart, eine zugleich vertraute und doch fortgesetzt rätselhafte Epoche, die das europäische Zeitmaß für Jahrhunderte vorgegeben habe. Aus dieser Faszination, die das Eigene im Fremden suche, resultiere im übrigen auch die Fülle an Themen, die man in einem Zentrum an Mittelalter-Ausstellungen verhandeln könne - gerade in Magdeburg.