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Luise von Anhalt-Dessau Luise von Anhalt-Dessau: Eine Fürstin der Herzen

Von Christian Eger 26.10.2003, 18:19

Dessau/MZ. - Im weiten Feld der Erforschung des Kulturkreises Dessau-Wörlitz gilt Luise von Anhalt-Dessau (1750-1811) als eine der beliebtesten Patientinnen. Die Zuneigung hat Gründe. Luise, geborene Markgräfin von Brandenburg-Schwedt, von 1767 an Ehefrau des Gartenreich-Gründers Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817), war eine in der offiziellen Lesart ihrer Zeit glücklose Frau: gescheiterte Ehe, grundverdächtige Neigungen zu Literatur, Religion und Kunst, eine Fachfrau für Rückzüge aller Art, zudem von vielen Krankheiten heimgesucht.

Das Urteil der Zeit, das bis 1918 das Urteil im Namen des jeweiligen Landesherren war, stand fest: psychotisch, melancholisch, tendenziell sogar frigide - bis heute gehören Spekulationen über das Sexualleben der Fürstin zu den Standards der Luise-Erörterung. Eine "Empfindsame" also: Ein Spottwort einst, das in Hohn und Schärfe der späteren "Emanze" entsprach. Einen wesentlichen Impuls verdankt die Luisen-Hingabe dem Umstand, dass über diese Frau faktisch noch wenig bekannt ist. Die kulturhistorisch hochrangigen 4 500 Seiten ihrer Tagebücher warten noch immer auf eine Veröffentlichung. Erst kürzlich hat das Kultusministerium Sachsen-Anhalts in verblüffender Logik erklärt, dass dieses Vorhaben wichtig, aber vom Land kein Geld zu erwarten sei, weil Brüssel nicht mitfinanziere. Es bleibt wohl dabei: Immer Ärger um Luise.

Es war einmal. In der am Sonnabend im Dessauer Schloss Georgium veranstalteten Jahrestagung der "Wörlitz-Kommission" wurde zur Korrektur des tradierten Luisen-Bildes gebeten. Bereits vorab wurde erklärt: Luise sei kein Klageweib, sondern real krank gewesen; sie sei stärker in das Hofleben eingebunden gewesen, als bislang angenommen; sie ritt selbst, führte auch Gespanne, hatte Humor. In sieben Vorträgen, die das Tagungsthema "Luise von Anhalt-Dessau und die Fürstinnen der Aufklärung" zu erhellen versuchten, wurde die alte Luisen-Legende - denn noch fehlen ja die Tagebücher - durch eine neue ersetzt, die uns die Fürstin als eine weltzugewandte Intellektuelle zeigen soll.

Vorrangig negativ besetzte Begriffe wie "Empfindsamkeit" und "Melancholie" wurden blank geputzt. York Gothart-Mix, Universität Marburg: Empfindsamkeit war ein Versuch, durch Herrschaft stabilisierte Rollenzwänge zu durchbrechen. Johanna Geyer-Kordesch, Universität Glasgow: Luise mag kränkelnd gewesen sein, klinisch depressiv war sie nicht. Zudem: Melancholie war keine Krankheit, sondern eine kulturelle Haltung, in der sich die zur "Schönen Seele" stilisierte Frau gegen den Grobianismus und schlechten Geschmack ihrer Zeit absetzte - mithin sei "Melancholie" Selbstbehauptung gewesen.

Einen unangemeldeten und überraschenden Programmpunkt präsentierte der Dessauer Mediziner Hermann Seeber, der die Gebeine der Fürstin einer computer-tomographischen Untersuchung unterzieht. 2002 war die Grablege des Fürstenpaares in der Kirche von Waldersee vom Hochwasser geflutet worden - die Knochen mussten im Städtischen Klinikum Dessau vom Pilzbefall gereinigt werden.

Seebers Lichtbilder einzelner Skelett-Partien zeigten: Luises Schwerhörigkeit hatte keine physischen, sondern familiär-genetische Ursachen; vorstehende Hüftgelenke weisen auf späte Beschwerden hin; eine "Verbeugung" der oberen Wirbelsäule muss zu einer äußerlich sichtbaren "Deformität" des Brustkorbes geführt haben. Seebers Frage: Hatte sich Luise etwa für diese Verformung vor Franz geschämt?

Offene Fragen zum Schluss, doch nicht ohne einen Aufglanz von Festlichkeit. 34 Jahre nach ihrer Vervielfältigung als Typoskript, liegt die in Sachen Dessau-Wörlitz grundlegende Promotion des halleschen Philologen Erhard Hirsch als Buchausgabe des Tübinger Niemeyer Verlages vor: "Die Dessau-Wörlitzer Reformbewegung im Zeitalter der Aufklärung". Jörn Garber lobte den Nestor der regionalen Aufklärungs-Forschung als "antipreußischen Preußen" und Publizisten von "ciceronischer Wortpräzision", dessen Werk und Wirkung kaum zu überschätzen sei.

Im launigen Gespräch entlockte er Hirsch Motive und Positionen seiner Dessau-Begeisterung. Und er stellte auch diese Frage: Darf man des Fürsten Nebenfrau, die Gärtnerstochter Luise Schoch, als "Mätresse" bezeichnen? Nein, sagte Hirsch. Es war die Fürstin, die ihrem Ehemann diese Frau zuführte. Scheidung schloss Luise aus, um ihren Status als regierende Fürstin nicht zu verlieren. Luise von Dessau - ein souveränes Weib.