Ludwig-Börne-Preis Ludwig-Börne-Preis: Enzensberger wird am Sonntag geehrt

München/dpa. - Wie Börne (1786-1837), einst Wegbereiter eines kritischenFeuilletons, gehört Enzensberger zu den tonangebenden Intellektuellenseiner Zeit.
Seine zornig-ironischen Gedichte der 60er Jahre sind früheBeispiele für eine politische Lyrik von Qualität, für eine engagierteLiteratur mit Maß. Mit markanten Worten hat er die öffentlicheDiskussion in Deutschland mitgeprägt. Ob er vom «Null-Medium»Fernsehen spricht, die Gefahr bürgerkriegsähnlicher Zustände inDeutschland durch soziale Spannungen kommen sieht oder dieAusplünderung der Dritten Welt anprangert. Immer wieder löst derpräzise formulierende Intellektuelle kontroverse Debatten aus.
Der am 11. November 1929 in Kaufbeuren im Allgäu geboreneEnzensberger ist in all den Jahren ein unangepasster undzeitkritischer Autor geblieben, der im Alter nach vielen Wegen durchdie Literatur auch wieder zur Lyrik zurückgefunden hat. Im Jahr 1963wurde eine breite deutsche Öffentlichkeit auf den zornigen jungenMann aufmerksam, als er mit 34 Jahren die höchste deutscheLiteraturauszeichnung, den Georg- Büchner-Preis, erhielt. Zuvor hatteEnzensberger an verschiedenen Orten studiert, darunter auch an derSorbonne in Paris, und war 1955 mit einer Arbeit über die Poetik vonClemens Brentano promoviert worden.
Bevor er 1965 die Zeitschrift «Kursbuch» gründete, die zu einemwichtigen Forum der kritischen Intelligenz in Deutschland werdensollte, sammelte der Schriftsteller Erfahrungen als Rundfunkautor,Verlagslektor bei Suhrkamp und als Gastdozent. 1979 zog Enzensbergernach München, wo er bis heute im Herzen Schwabings direkt amEnglischen Garten wohnt. Es gibt kaum ein literarisches Genre, in demsich Enzensberger nicht erfolgreich versucht hätte.
Doch Enzensberger lässt sich nicht einordnen oder festlegen. Erist ein kosmopolitischer Freigeist geblieben, der als aufklärerischerHerausgeber der «Anderen Bibliothek» der Macht des geschriebenenWortes offenbar immer noch mehr zutraut als öffentlichen Auftrittenals Mahner. Mit dem fast gleichaltrigen Literatur-NobelpreisträgerGünter Grass gehört Enzensberger zu jenen letzten großen Vertreternder deutschen Nachkriegsliteratur, die sich in die Dinge desGemeinwesens einmischen.