Literatur Literatur: Walter Höllerer im Alter von 80 Jahren gestorben

Berlin/dpa. - Der Literaturwissenschaftler und Autor Walter Höllerer, der am Dienstag im Alter von 80 Jahren in Berlin gestorben ist, gehörte zu den wichtigsten Anregern und Förderern des literarischen Lebens der Nachkriegszeit in Deutschland. Sein Name ist eng mit der legendären «Gruppe 47» um Günter Grass, Ingeborg Bachmann und Uwe Johnson verbunden, jener ebenso avantgardistischen wie auch gesellschaftspolitisch engagierten Literaten-Vereinigung.
Höllerer war ein umtriebiger Organisator des Literaturbetriebs und gründete mit Hilfe der amerikanischen Ford Foundation das Literarische Colloquium am Berliner Wannsee, das in diesen Tagen gerade sein 40-jähriges Bestehen feierte. Es war ein Treffpunkt zahlreicher Auftritte prominenter Autoren aus dem In- und Ausland sowie Schauplatz von lebhaften kulturpolitischen Streitgesprächen. Gefördert wurde dabei auch die Zusammenarbeit der Literaten mit den Bereichen Theater, Film und Fernsehen.
Der langjährige Herausgeber der Zeitschriften «Akzente» und «Sprache im technischen Zeitalter» engagierte sich auch als Förderer junger Talente. Bei der «Gruppe 47» um Hans Werner Richter haben sich etliche bis dahin unbekannte Autoren «hochgelesen». «Wie viele Schlachten wurden hier geschlagen», meinte Höllerer einmal rückblickend auf die 1947 gegründete Vereinigung, zu der er 1954 gestoßen war. Dort saßen die Autoren, um aus ihren neuen Texten zu lesen und wurden von ihren Kollegen und von Kritikern, von Hans Mayer über Walter Jens bis Marcel Reich-Ranicki, unter die kritische Lupe genommen.
Höllerer stammt aus dem oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg, dem er 1987 auch seine wertvolle Sammlung deutscher Nachkriegsliteratur mit über 20 000 Briefen und zahlreichen Originaldokumenten für das dortige Literaturarchiv überlassen hat. Sein schriftstellerisches Werk umfasst lyrische, erzählerische und essayistisch- wissenschaftliche Arbeiten und den Roman «Die Elephantenuhr» (1973) und die Komödie «Alle Vögel alle» (1978). Seine Liebe gehörte auch dem experimentellen Gedicht mit Einflüssen der Dadaisten. Eine Sammlung von Reden, Essays, Aufsätzen und Geschichten erschien 1987 unter dem Titel «Walter Höllerers Oberpfälzische Weltei-Erkundungen».
Immer wieder ergriff Höllerer auch Partei in gesellschaftspolitischen Streitfragen wie der Stationierung von Atomraketen in der Oberpfalz und der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf. «Wir waren immer darauf aus, für jene zu sprechen, denen das Wort abgeschnitten wurde und wir haben uns niemals mit dem status quo abgefunden, weder mit dem des bestehenden Sozialismus noch mit dem des Kapitalismus», sagte Höllerer 1988 ein Jahr vor dem Fall der Mauer. Viele seiner Gesinnungsgenossen seien als «Scheißliberale» beschimpft worden, aber eines habe sie alle geeint in der «Gruppe 47» - «dass es nie wieder eine Diktatur in Deutschland geben darf».
Höllerer war Mitglied des PEN-Clubs, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Berliner Akademie der Künste. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter 1966 den Berliner Fontanepreis und 1975 den Johann-Heinrich-Merck-Preis.