Literatur Literatur: Roman-Bestseller über Deutschenhass entzweit die Dänen

Kopenhagen/dpa. - Knud Romer, 1960 geborener Romanautor und Sohn eines dänisch-deutschen Elternpaares aus dem Provinzstädtchen Nykøbing, schildertin seinem mit mehreren Preisen ausgezeichneten und kommerziell höchsterfolgreichen Erstlingswerk «Wer blinzelt, hat Angst vor dem Tod»(«Den som blinker, er bange for døden») seine Kindheit als Albtraumaus nur einem Grund: Weil die Mutter Deutsche war. Andere Zeitzeugenwerfen dem Autor Fantasiegespinste vor.
Beim Bäcker in Nykøbing auf Falster, so ist bei Romer zu lesen,gab es für den kleinen Knud und seine Mutter auch in den sechzigerJahren nur vergammelte Brötchen, saure Milch und ranzige Butter,dafür aber alles zum doppelten Preis. Klassenkameraden machten KnudsKindergeburtstage zur Hölle für den Gastgeber, weil seine Mutterdeutsche statt dänische Spiele spielen ließ. Generell wird dieFamilie als total isoliert, ausgegrenzt und ständig gemobbt auch nochbis in die siebziger Jahre geschildert, und der Grund ist immereindeutig: Tyskerhad.
Das alles lasen auch die im Buch mit ihren wirklichen Vornamengenannten Klassenkameraden sowie Ex-Freunde und Freundinnen und auchLehrer aus Nykøbing. Einer nach dem anderen schrieben sie «OffeneBriefe» und gaben Interviews, wonach Kindheit und Jugend des Autorswie auch das soziale Leben seiner angeblich als «Hitler-Weib»angegifteten deutschen Mutter freundlich, harmonisch und alles inallem völlig normal verlaufen seien.
«Knuds Geburtstagsfeste waren die besten von allen in der Klasseund unglaublich populär» wundert sich der einstige Schulfreund JørnOvergaard. Da alle Beteiligten in Romers Roman mit ihren richtigenNamen angeführt seien, müsse man wohl historische Genauigkeitverlangen, auch wenn unter dem Buchtitel «Roman» stehe. Eine derartbrutale Ausgrenzung gegenüber «Tyskersvin» («Deutschenschweinen») seibis Ende der fünfziger Jahre, keinesfalls aber in der von Romer bis1975 beschriebenen Periode wahrscheinlich oder in der beschriebenenForm auch nur denkbar gewesen, meinten viele ältere Dänen.
Romer selbst, bisher in seinem Land als professionellerReklamemann und wortgewaltiger Mitwirkender in unterhaltsamen TV-Shows schon recht bekannt, hatte zunächst bei der Vorstellung seinesersten Romans in Nykøbing noch betont, es handele sich hier eindeutigum «Fiktion». In späteren Interviews aus der hundert Kilometerentfernten Hauptstadt Kopenhagen aber lautete die Autorenbotschaft andie Leserschaft doch recht eindeutig: So und nicht anders habe er esselbst erlebt. Und freimütig bekannte er, dass er beiMedienauftritten seine Aussagen immer ganz gerne den jeweiligenBedürfnissen anpasse.
Die konservative Tageszeitung «Berlingske Tidende» sah in einemLeitartikel den Hintergrund auch in dem aus Reklamezweckeninszenierten Rummel um das Buch: «Vielleicht liegt es am allgemeinenHunger nach einer literarischen Realityshow, dessen Risiko Autor undVerlag nicht ganz durchschaut haben.»
In der allgemeinen Aufregung um das Thema Deutschenhassuntergangen sind andere literarisch interessante und historischkomplizierte Aspekte des Buches: So schildert Romer die engeBeziehung seiner Mutter zu ihrem früheren Jugendfreund Horst Heilmannund dessen 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichteten Mitstreitern ausder Widerstandsgruppe «Rote Kapelle».