Literatur Literatur: Gedenkjahr lädt zur Wiederentdeckung Tschechows ein

Moskau/dpa. - Dabei war der Schriftsteller selbst zu zurückhaltend und diskret, um Einblicke in sein nur 44 Jahre kurzes Leben zu gewähren. «Ich habe eine Krankheit: die Autobiographobie», schrieb er einmal in einem Brief. Für den Übersetzer Peter Urban, der seit Jahrzehnten das Werk Tschechows für den deutschen Leser pflegt, sind gerade die Briefe derwichtigste Schlüssel zum Leben des Schriftstellers. Deshalb ließ erder Gesamtausgabe der Briefe und einem Tschechow-Bildband jetzt zumGedenkjahr eine minutiöse «Anton Cechov - Chronik» folgen (alleDiogenes). Das Buch zielt auf gestandene Tschechow-Liebhaber, mitDaten und Briefauszügen zeichnet Urban das Leben und die Entstehungder einzelnen Werke nach.
Für Tschechow-Einsteiger empfiehlt sich die kurze, gut lesbare undanschaulich bebilderte Biografie «Anton Cechov» von Frank RainerScheck bei dtv. Ein wichtiges zeitgenössisches Zeugnis über Tschechowwird im September/Oktober 2004 bei der Friedenauer Presse erscheinen,die Erinnerungen des russischen Schriftstellers Iwan Bunin an seinenFreund («Cechov. Erinnerungen eines Zeitgenossen»).
Das größte Projekt einer Neuübersetzung Tschechows im Gedenkjahrsind vier Bände mit Erzählungen, die der Verlag Artemis & Winklervorgelegt hat. Der zuletzt erschienene Band «Die Dame mit demHündchen» versammelt das erzählerische Spätwerk. Für den BerlinerGermanisten Gerhard Bauer, der ein Team von fünf Übersetzerinnenanleitete, ist Tschechow unverändert aktuell. Der «Hochmut der weiterfortgeschrittenen Zivilisation» sei eher noch stärker als zuTschechows Zeiten geworden. «Jede Generation hat viel zu tun, um aufseine Höhe zu kommen», sagt.
Nach Angaben von Verlagssprecherin Ute Müller soll die neueWinkler-Übersetzung «den modernen, ironischen Ton, den Tschechow hat,in eine moderne Sprache» übertragen. Bislang kannten deutsche Leserdie Erzählungen Tschechows vor allem aus den Übersetzungen, die WolfDick und Gerhard Düwel in den 1960er Jahren in der DDR und späterauch in der Bundesrepublik herausgegeben hatten.
Ob man die Neuübersetzung als gelungen empfindet, hängt vomGeschmack des Lesers ab. Die Wortwahl der Neuausgabe istausgefallener, pointierter. Dafür wirken die alten Übersetzungenschlanker und ordnen sich stärker dem Erzählverlauf unter.
Tschechows Theaterstücke erscheinen zum 100. Todestag in zweiAusgaben. Der Insel-Verlag legt die Übersetzungen des TheatermannesThomas Brasch (1945-2001) wieder auf. Als Fischer-Taschenbucherscheinen die «Drei Schwestern und andere Dramen» in der Übersetzungvon Andrea Clemen.