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Literatur Literatur: Ernesto Cardenal wird 80 Jahre alt

Von Klaus Blume 14.01.2005, 06:58
Der nicaraguanische Schriftsteller, Priester und Politiker Ernesto Cardenal ist Gast auf der Frankfurter Buchmesse (Archivfoto vom 09.10.1998). (Foto: dpa)
Der nicaraguanische Schriftsteller, Priester und Politiker Ernesto Cardenal ist Gast auf der Frankfurter Buchmesse (Archivfoto vom 09.10.1998). (Foto: dpa) dpa

Mexiko-Stadt/dpa. - Baskenmütze, Bauernhemd undSandalen sind noch immer seine Markenzeichen. Am kommenden Donnerstag(20.) wird Ernesto Cardenal 80 Jahre alt.

Cardenal wurde in einer wohlhabenden Familie in Granada am großenNicaraguasee geboren. Er ging auf ein Jesuitenkolleg und studiertespäter Philosophie, Literaturwissenschaft und Theologie in Mexiko, inden USA und in Kolumbien. Schon als Schüler schrieb er seine erstenLiebesgedichte. 1957 trat er in ein Trappistenkloster in den USA ein,gab das Noviziat aber nach zwei Jahren wieder auf. 1965 wurdeCardenal in Managua zum Priester geweiht. Schon ein Jahrzehnt zuvorhatte er sich dem Widerstand gegen die Familiendiktatur der Somozasangeschlossen und ein Schmähgedicht auf «Tacho» Somoza, AnastasiosVater, verfasst.

Für den Priester gab es keinen Widerspruch zwischen christlichemHeilsversprechen und marxistischem Kollektivismus - er schienvielmehr das Reich Gottes im irdischen Kommunismus verwirklicht zusehen. 1966 hatte er auf einer Insel des Solentiname-Archipels imNicaraguasee eine an urchristlichen Vorstellungen ausgerichteteKommune eingerichtet und darüber in seinem «Evangelium der Bauern vonSonlentiname» (1975, dt. 1977) berichtet. 1970 besuchte er zum erstenMal für mehrere Monate Kuba und veröffentlichte danach sein«Kubanisches Tagebuch» (1972, dt. 1980) - eine naive Verklärung dertotalitären Diktatur. Seinen kommunistischen Idealen ist Cardenal bisheute treu geblieben, auch wenn er 1994 mit den Sandinisten brach.

Unvergessen ist in Nicaragua der Eklat beim Papstbesuch 1983 inManagua, als Anhänger der Sandinisten Johannes Paul II. während derPredigt niederschrien und Cardenal vom römischen Kirchenoberhauptöffentlich gemaßregelt wurde. 1985 suspendierte ihn der Vatikan vonder Ausübung des Priesteramtes. Politisch blieb Cardenal in derSandinistenfront einflusslos und wurde von Kritikern als puresAushängeschild der «Comandantes» betrachtet. Dafür warb er aufAuslandsreisen, die ihn oft nach Deutschland führten, mit großemErfolg für sein Land und sein Werk.

Zu den Frühwerken Cardenals zählen die «Salmos» (Psalmen, 1961,dt. 1979), die in etwa 20 Sprachen übersetzt wurden, und seine«Oración por Marilyn Monroe» (Gebet für Marilyn Monroe). Anfang der90er Jahre machte er mit dem großen Gedichtzyklus «Cántico Cósmico»(dt. «Gesänge des Universums», 1995) Furore. Im vorigen Jahr erschienunter dem Titel «Im Herzen der Revolution» der dritte Teil seinerMemoiren. Der rüstige alte Mann denkt auch zum 80. Geburtstag nochnicht an den Ruhestand. In Managua betreibt Cardenal eine Galerie, inder er auch eigene Plastiken verkauft.